SPD-Ortsverein: Großer Koalitionskurs

■ Schwere Schelte für Senat / Dreyer: „Die Ampel hat ihre Chance gehabt“

Aus der Innenstadt weht den sozialdemokratischen Regierungsmitgliedern in der Bremer Ampel seit Montag abend ein verschärfter Wind entgegen. Der Ortsverein dort hat einen Antrag auf den Weg gebracht, der „in dieser Schärfe sehr selten vorkommt“, wie der stellvertretende Landesvorsitzendeder SPD, Harald Stelljes, gestern in einer Stellungsnahme erklärte.

In dem Ortsvereinsantrag heißt es, daß sozialdemokratische Regierungsmitglieder wegen „Mißachtung der Partei scharf gerügt“ werden. Bei der Entscheidung für ein Schiff zur Unterbringung von Asylbewerbern im Kohlenhafen hätten die Regierungsmitglieder gegen SPD-Beschlüsse grob verstoßen. Der Ortsverein will seinen Antrag jetzt auf höheren Parteiebenen einbringen. Die sollen dann „die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats an die Beschlußlagen der Partei erinnern und die Einhaltung der Beschlußlagen einfordern“. Besonders die SPD-Bürgerschaftsfraktion wird aufgefordert, „bei Nichteinhaltung Konsequenzen deutlich zu machen und umzusetzen.“

Das ist eine steife Brise, und Ortsvereinsvorsitzende Brigitte Dreyer erklärt dazu deutlich, wohin der Wind weht. „Die Ampel hat ihre Chance gehabt. Die SPD wird zwischen den kleinen Parteien zerrieben. Ein Senatspräsident, der sich selbst als Moderator bezeichnet, ist keiner. Ein Senatspräsident muß regieren, nicht moderieren.“

Der UB-West-Vorsitzende Peter Sakuth wollte sich gestern noch nicht dazu äußern. Gestern abend tagte der Unterbezirksvorstand, auf dem der Antrag beraten werden sollte. SPD-Chef Konrad Kunick war gestern in Bonn beim SPD-Parteirat, sein Stellvertreter Harald Stelljes erklärte aus Bremerhaven: „Es ist problematisch, mit so einem Antrag in die Öffentlichkeit zu gehen.“ Stelljes selbst will als Parteistrategie die Kritik der Genossen bis zum Halbzeitparteitag der SPD, vermutlich am 18. März, bündeln. „Dort sollte dann über jeden einzelnen Senator abgestimmt werden“, meinte er. Bis dahin soll auch eine Umfrage darüber vorliegen, wo die SPD in der Wählergunst liegt. Bei einem Ergebnis unter 30 Prozent, munkeln Genossen, ist Wedemeier auf der Abschußliste. Bislang allerdings ist noch unklar, wer eine solche Umfrage finanzieren wird. Die Partei ist pleite, der Senat fühlt sich nicht zuständig. Der SPD-Landesvorstand hatte Ende April den Senat zu einer solchen Umfrage aufgefordert.

Für den Fraktionsvorsitzenden der SPD, Claus Dittbrenner, ist die „Kritik des Ortsvereins identisch mit der des Landesvorstandes“ und deshalb nichts Neues. Die Geister einer Großen Koalition sieht der Fraktionschef nicht beschworen: „Man kann auch einzelne Regierungsmitglieder innerhalb der Koaltition austauschen“, erklärte er. Zum Thema Asylschiff „werden wir an unserer Beschlußlage festhalten und sind optimistisch, daß bis zum 24. Mai eine alternative Lösung gefunden ist“.

Konrad Kunick, obwohl gestern in Bonn, kennt den Ortsvereinsbeschluß bereits. Er war am Montag abend im Ortsverein dabei, als der Antrag beschlossen wurde. mad