Schöner Wohnen ohne Telefon

■ Im Studentendorf Schlachtensee seit einem halben Jahr ohne Telefonanschlüsse / Telekom, Denkmalschutz und Studentenwerk schieben sich die Verantwortung zu

Zehlendorf. Im Studentendorf am Schlachtensee steht seit fast einem halben Jahr eine Farce besonderer Art auf dem Spielplan. Der Titel könnte lauten: „Schöner Wohnen oder Telefon für alle.“ Weil der Denkmalschutz die Verlegung von nahezu 200 Telefonanschlüssen stoppte, bilden sich nun jeden abend lange Schlangen vor den sechs Telefonzellen des Studentendorfes.

Immer wieder seien sie mit fadenscheinigen Gründen vertröstet worden, erzählt Markus E., einer der Telefonlosen. Einmal sei er aufgefordert worden, eine Beratung der Telekom in Anspruch zu nehmen, wobei er dann gefragt wurde, welches Telefonmodell er denn bevorzugen würde – benutzen wird er es allerdings noch lange nicht können. Ein anderes Mal flatterte eine Werbebroschüre für das Funktelefonnetz D-2 in den Briefkasten. Für einen Studenten vielleicht ein wenig zu kostenaufwendig, meint der 24jährige.

Bernhard Krüger, Pressesprecher der Telekom, versucht, die vertrackte Situation zu erklären. Anfang 1992 habe man im Studentendorf angefangen, Leitungen zu legen. Bald sei allerdings der Denkmalschutz dazwischengegangen und habe die Installationen gestoppt, weil die Leitungen außen am Haus verlegt wurden.

Der Denkmalschutz – der zweite Protagonist der scheinbar „Never ending Story“ – hatte auch alle Befugnisse, die Verlegung zu untersagen. Um nämlich das immerhin 22 Häuser umfassende Dorf vor dem Abriß zu retten, wurde es in den achtziger Jahren kurzerhand unter Denkmalschutz gestellt. Deswegen müssen alle baulichen Maßnahmen mit den Richtlinien der Denkmalpflege übereinstimmen. Rainer Pohl, der zuständige Denkmalschützer, verlangt, daß die Leitungen in die Häuser hinein gelegt werden. „Die Häuser sehen sonst aus wie Kokons, das ist unmöglich.“ Leerrohrleitungen sollen nach dem Willen Pohls installiert werden. Das sind Hohlleitungen in den Häusern, die auf den Putz genagelt werden können und die Telefonleitungen fürs Auge verschwinden lassen. „Ob die Kabel schließlich in eckige oder runde Hohlleitungen kommen, ist mir egal, Hauptsache, man sieht sie nicht mehr.“

Doch auch von den Leitungen ist bislang noch nichts zu sehen, deshalb wurde das Problem an den dritten Hauptdarsteller, das Studentenwerk, weitergegeben. Das Studentenwerk verwaltet das Dorf, dessen Eigentümer das Land Berlin ist. Der Leiter der Abteilung Wohnwesen im Studentenwerk, Klaus Kittel, kann auch nicht verstehen, warum sich die Verlegung derart hinziehe. Er schiebt den Schwarzen Peter der Telekom zu und verweist auf deren Anschlußpflicht: „Die haben ja keine Fristen. Und weil die das nicht machen wollen, schieben die das halt raus.“ Die Telekom allerdings stellt sich auf den Standpunkt, die baulichen Maßnahmen, sprich die Installation von Leerrohrleitungen, nicht finanzieren zu müssen. Dies sei Sache des Eigentümers.

Kittel, nun auf das Finanzierungsproblem aufmerksam gemacht, gibt zu, schon längere Zeit einen Briefwechsel mit der Telekom zu führen. Allerdings habe das Studentenwerk derzeit kein Geld für derart kostenaufwendige Maßnahmen – und außerdem sei das Sache der Telekom. Ob die Verlegung der Leerrohrleitungen wirklich teuer ist, bezweifelt wiederum Denkmalschützer Pohl. „Die sanieren doch sowieso gerade ihre Häuser. Dann können die das doch auch gleich mitmachen.“

Das Ganze entpuppt sich mithin als bürokratisches Tauziehen, das sich wohl noch einige Zeit hinziehen wird. Die Statisten, also die Studenten, bleiben außen vor. „Ich kann ja nicht mal 'nen Job annehmen ohne Telefon“, beklagt sich Markus E. Auch in seiner Arbeit an der Uni sei er erheblich behindert. Die Arbeitsgruppen könnten nicht koordiniert werden, für Dozenten sei man nicht erreichbar. Schöner Wohnen gern, aber bitte nur mit Strippe im Zimmer. Koste es, was es wolle. Jörg Welke