: Schädelschutz
■ Nicht jeder Helm schützt
„Niemals würde ich in Berlin ohne Helm fahren. Nie.“ Robert, 23 Jahre alt, ist Fahrradkurier bei Messenger. „Fast jeden Tag sehe ich, wie es wieder einmal gekracht hat, oder ich höre davon. Und immer häufiger sind Fahrradfahrer in Unfälle verwickelt.“ Allein im letzten Jahr sind in Berlin 24 Radfahrer bei Unfällen ums Leben gekommen, 609 Personen wurden krankenhausreif gefahren. Das kommt nicht von ungefähr: Der Autofahrer wird durch die Knautschzone geschützt. Die Knautschzone des Radlers ist dessen Nase, Knie, Brust – oder aber sein Helm. Kein Wunder, daß der Helmhandel floriert, besonders mit Kinderhelmen.
Doch wer sich für einen Helm entscheidet, hat die endlos erscheinende Qual der Wahl: Rund hundert verschiedene „Schädelschützer“ – Modelle von etwa dreißig Anbietern – sind in den Fahrradläden und Kaufhausabteilungen zu finden. Die Preise, die zwischen 50 und 100 Mark liegen, geben kaum verläßliche Auskunft über die Qualität und Stabilität des Kopfschutzes.
Wichtiger als jedes Design, abgesehen von Signalfarben als Blickfang im Verkehr, ist die Größe des Helmes. Für den perfekten Sitz auf dem Kopf muß die Schalengröße zumindest annähernd der des Kopfes entsprechen. Deshalb gibt es die meisten Modelle inzwischen in verschiedenen Größen. Ein anderer Sicherheitsfaktor, die Stoßfestigkeit des Helms, kann im Laden nicht überprüft werden. Deshalb sollte man darauf achten, daß die Helme einen Vermerk über einen Sicherheitstest tragen. Allerdings gibt es verschiedene Prüfmethoden. Die bekanntesten sind die amerikanische SNELL-Norm, die höchste Anforderungen an das Material stellt, sowie die amerikanische ANSI-Norm und das GS-Siegel des TÜV – bei den letzten beiden sind die Helme eher weich.
Wichtig ist auch eine gut funktionierende Belüftung. Denn die Hitze unter der Helmschale kann sich empfindlich stauen, gerade wenn die Helmpolster stirnbandähnlich unter der Schale angeordnet sind. Abhilfe schaffen da nur lange Luftschlitze über der Stirn, der Kopfmitte und am Hinterkopf und Windleitkanäle im Innern des Helms. Ein bequemer Helm ist immer auch ein leichter Helm. Gerade bei langen Touren kann eine schwere Schale auf den Nacken drücken. Echte Leichtgewichte bringen nicht einmal mehr 250 Gramm auf die Waage.
Helme sind inzwischen zur High-Tech-Ware geworden, und ihr Verkauf boomt. Schließlich vergrößern sie die Sicherheit des einzelnen. Beim ADFC Berlin wird diese Entwicklung dennoch mit gemischten Gefühlen betrachtet. Frank Gratz, Technik-Referent beim Fahrrad-Club, plädiert für Abrüstung im Verkehr. „Die Gefahr muß bei den Verursachern, den Autos, gebannt werden, nicht bei den Radfahrern.“ Auch wenn der ADFC Helme grundsätzlich für sinnvoll hält und sogar Kaufempfehlungen abgibt – auf lange Sicht befürchtet man dort die Einführung einer Helmpflicht, die das Radfahren komplizieren und verteuern und die Zahl der Radler sinken lassen würde. Dagegen kämpft der ADFC mit der Parole: „Wer den Helm zur Hauptsache macht, lenkt von den Verursachern ab.“
Beim Verkehrsministerium in Bonn werden Spekulationen über eine Helmpflicht zurückgewiesen. Mit der Unfallstatistik lasse sich staatlich verordnetes Helmtragen nicht begründen, meint Pressesprecher Gert-Jürgen Scholz. Eine Helmpflicht sei nicht nur „unverhältnismäßig“, sondern auch zu schwer durchsetzbar. Schließlich gebe es allein in Westdeutschland 55 Millionen Räder – nicht eines davon mit Nummernschild. Erwartet die Radfahrer da vielleicht eine gleichzeitige Helm- und Kennzeichnungspflicht? Martin Böttcher
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