■ Das Portrait
: Pol Pot

Foto: Ullstein-Bilderdienst

Seinen Verwandten scheint der Mann genauso unbegreiflich wie dem Rest der Welt. Sanft und freundlich sei er gewesen, schon als Kind, berichten sie, und erst recht später, als er bereits zum Chef der kambodschanischen KP gewählt worden war. Regelmäßig habe er die Neffen zum Kino eingeladen, ihre Begeisterung für amerikanische Krimis und Western geteilt. Vor allem John Wayne soll er gemocht haben.

Die Rede ist von einem gewissen Saloth Sar, alias Pol Pot. Von April 1975 bis Januar 1979 herrschte er über Kambodscha. Schätzungen zufolge kamen in dieser Zeit eine Million seiner Landsleute zu Tode. Ein Teil verhungerte oder starb an vermeidbaren Krankheiten, weil der andere Teil, fast die gesamte Elite des Landes, von den Roten Khmer hingeschlachtet worden war.

Der Haß der Roten Khmer auf die Intellektuellen mutet um so erstaunlicher an, weil ihr Chef, Pol Pot, auch dazu zählt. Am 19.Mai 1928 in Kompong Thom, einem verschlafenen Provinznest als Kind einer Bauernfamilie geboren, besucht Saloth das Gymnasium in Phnom Penh und erhält 1949 ein Stipendium an einer Pariser Fachhochschule für Elektrotechnik. Sein eigentliches Interesse gilt jedoch der französischen Poesie sowie dem Marxismus. Saloth fällt durch die Prüfungen. Das Stipendium wird gestrichen, er kehrt nach Hause zurück. Gemeinsam mit den alten Freunden aus dem Quartier Latin arbeitet er in den folgenden zehn Jahren am Aufbau einer kommunistischen Untergrundpartei, zu deren Chef er 1963 gewählt wird. Im gleichen Jahr flieht er vor der Geheimpolizei in die entlegenen Dschungel an der vietnamesischen Grenze.

1977, zwei Jahre nach der Machtergreifung der Roten Khmer, gibt er sich unter dem Namen Pol Pot als Chef der KP zu erkennen. Ende 1978 muß er vor der vietnamesischen Invasionsarmee an die thailändische Grenze flüchten. Offiziell heißt es, er habe seine Ämter niedergelegt. Tatsächlich spricht vieles dafür, daß Pol Pot, der heute 65 wird, noch immer die Politik der Roten Khmer bestimmt. Durch seine loyalsten Einheiten vor der Außenwelt genauso beschützt wie vor dem eigenen Verfolgungswahn, soll er in einem idyllischen Dörfchen nahe der thailändischen Grenze leben, in einer Umgebung, die so friedlich anmutet, daß ihn nichts an seine Untaten erinnert. Rainer Scholz