Erster Erfolg für Moskauer Putschisten

■ Staatsanwaltschaft für befangen erklärt / Jelzin will Verfassungsreferendum

Moskau (dpa/AFP) – Der Hochverratsprozeß gegen die Anführer des Putsches vom August 1991 ist am Dienstag erneut verschoben worden. Das Militärkollegium des Obersten Gerichts gab einem Antrag der Angeklagten statt und kam zu dem Schluß, daß die Unvoreingenommenheit der staatlichen Ankläger nicht gewährleistet sei. Insbesondere warfen die Angeklagten Generalstaatsanwalt Stepankow vor, mit der Veröffentlichung seines Buches über den Putsch dem Gerichtsprozeß vorgegriffen zu haben.

Die Richter wandten sich mit der Bitte an den Obersten Sowjet, die Frage der Unabhängigkeit der Ankläger zu untersuchen. Nach Ansicht von Prozeßbeobachtern bestehen nun zwei Möglichkeiten für eine Fortsetzung des Putschistenprozesses. Nach der einen müßte Stepankow als Generalstaatsanwalt abgelöst werden, damit er keinen Einfluß mehr auf die Ankläger ausüben kann. Falls er im Amt bleiben sollte, müßte der Oberste Sowjet eine gesonderte Staatsanwaltschaft für die Anklage in diesem Prozeß einrichten.

Der russische Präsident Boris Jelzin könnte nach Ansicht des stellvertretenden Ministerpräsidenten Schumeiko ein zweites Referendum abhalten, wenn die Annahme einer neuen Verfassung blockiert werden sollte. „Wenn das Verfassungsgericht sich gegen die Verfassung ausspricht, würde die Regierung Jelzin ein solches Urteil nicht anerkennen und ein neues Referendum organisieren“, sagte Schumeiko auf einer Pressekonferenz in Washington. Jelzin hat für den 5. Juni eine verfassunggebende Versammlung mit Vertretern der Republiken, Gebiete und Städte sowie ausgewählten Abgeordneten einberufen. Sie sollen sich mit seinem Verfassungsentwurf beschäftigen, die neue Verfassung aber nicht ausdrücklich beschließen. Nach Ansicht des Vorsitzenden des russischen Verfassungsgerichts, Sorkin, kann eine neue Verfassung entweder durch Abstimmungen in den beiden Parlamenten oder durch ein Referendum angenommen werden.

Ins politische Abseits gerät unterdessen einer der schärfsten Jelzin-Gegner. Der stellvertretende Parlamentsvorsitzende Nikolai Rjabow warf Parlamentschef Ruslan Chasbulatow vor, die politischen Verhältnisse nach dem Referendum falsch einzuschätzen: „Ich glaube, es ist unangebracht, die direkte Konfrontation mit dem Präsidenten fortzusetzen.“