IGM klammert sich an Steinkühler

■ Basis ist empört, Funktionäre erklären Börsenspekulation zur Privatsache

Berlin (dpa/taz) – Franz Steinkühler steht weiter massiv unter Druck. Nachdem er am Montag die vom Stern enthüllten Geschäfte mit Daimler-Benz-Aktien im Detail bestätigt hatte, tauchten gestern neue Anschuldigungen auf. Nach einer Vorabmeldung der Passauer Neuen Presse soll Steinkühler, der dem Daimler-Benz- Aufsichtsrat angehört, schon 1985 sein Insiderwissen genutzt und einen großen Posten AEG-Aktien erworben haben, kurz bevor der Daimler-Aufsichtsrat die Übernahme der AEG offiziell bekanntgab. Eine Sprecherin der IG Metall wies die neuen Vorwürfe gegenüber der taz gestern als „völligen Quatsch“ zurück. Steinkühler habe „nie AEG-Aktien besessen“. Die Passauer Zeitung bekomme „eine dicke Klage an den Hals“.

Innerhalb der Gewerkschaften hat der umstrittene Aktiendeal des IG-Metall- Chefs ein völlig unterschiedliches Echo ausgelöst. Während für den Landesbezirk der IG Medien in Hessen eine Schadensbegrenzung für die gewerkschaftliche Sache nur durch einen „schnellen Rücktritt“ denkbar ist, sprang die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer dem IGM-Vorsitzenden öffentlich bei: „Das Entscheidende ist, ob jemand eine richtige, eine überzeugende Politk macht.“ Bei dem Aktienkauf gehe es um „wirklich private Dinge“, sagte die Vize-DGB-Chefin. Auch die Postgewerkschaft erklärte, es sei Steinkühlers „Privatsache“, wie er sein Vermögen verwalte. So einfach kommt Steinkühler bei seiner betrieblichen Basis indes nicht davon. Überall macht die Rücktrittsforderung die Runde, auch wenn gestern ein einheitliches Bild oder gar eine organisierte Bewegung zur Absetzung des IG-Metall-Chefs nicht erkennbar war. Nach der Beobachtung des Daimler- Betriebsrates Thomas Adler stößt das Verhalten von Steinkühler in weiten Teilen der Daimler-Belegschaft „auf Ablehnung“. Eine Prognose über dessen Verbleib an der Gewerkschaftsspitze mochte Adler aber nicht abgeben, „denn das hängt ganz davon ab, was jetzt noch zusätzlich hochkommt“. Offiziell will die IG Metall den Steinkühler-Deal nicht zum Thema machen. Sonderkonferenzen der IG-Metall-Funktionäre wird es nach Informationen aus der Frankfurter IGM-Zentrale nicht geben. Eine organisationsinterne Abrechnung steht deshalb wohl frühestens auf dem kommenden Gewerkschaftstag bevor. Die Zurückhaltung erklärt sich auch aus dem schmalen personellen Angebot bei den potentiellen Nachfolgern in der Führungsetage der IGM: „Ich sehe niemanden hinter Steinkühler, der das könnte“, räumt selbst ein Kritiker des Vorsitzenden ein.

Während die Gewerkschaftsführungen sich mit der Kritik an Steinkühler gestern insgesamt zurückhielten, nutzten CDU- und FDP-Politiker die Gunst der Stunde zu massiven Angriffen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang von Geldern bezeichnete Steinkühlers Verhalten als „grob sittenwidrig“. Deshalb sei der Rücktritt „von allen Ämtern unumgänglich. Der prominenteste Steuerhinterzieher der Republik, Graf Lambsdorff, freute sich diebisch darüber, wie ein Gewerkschaftsvorsitzender „die Möglichkeiten des Kapitalismus nutzt“. J.S. Tagesthema Seite 3, Kommentare Seite 10