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Schiefer Zungenschlag beim Bodenpersonal

■ Kirche als moderner Betrieb: Hamburgs Hauptpastoren wollen mit einer "church card" den Zeitgeist einfangen

« den Zeitgeist einfangen

Die Kirche läßt sich heutzutage einiges einfallen, um wieder ins Gespräch zu kommen. Die neueste PR-Aktion: die „church card“, eine Idee der fünf Hamburger Hauptpastoren. Ein zeitgemäßes Produkt, das nicht rein zufällig an Kreditkarten erinnert.

„Für die meisten Menschen regelt sich ihr Leben über das Geld“, sagt Michelpastor Helge Adolphsen. Mit einer „card“ werden bestimmte Angebote verbunden, und genau darüber denkt die evangelische Kirche jetzt nach. Konkret könnte das heißen: „verbilligte Eintrittspreise für Mitglieder in Konzerte, verbilligte Kindergartenplätze“. Es werde auch diskutiert, in einzelne Kirchen nur noch Mitglieder kostenlos einzulassen.

Also ein Ausweis für die Super- Frommen? „Da mache ich allerdings nicht mit“, meint Helge Adolphsen, „der Michel bleibt für alle geöffnet.“ Die „church card“ solle lediglich ein Anreiz sein, sich als Mitglied einer Gemeinschaft zu verstehen, das sowohl Rechte als auch Pflichten habe.

Derweil sorgt das Kirchenpapier für einigen Wirbel. Öffentlichkeitspastor Hinrich Westphal bezeichnet die Idee mit der „church card“ gar als „Lachnummer der Republik“. Und bittet um Verständnis: „Auch Gottes Bodenpersonal hat mal einen schiefen Zungenschlag.“ Es scheine ihm aber das falsche Mittel zu sein, um die Menschen wieder in die Kirchen zu bringen. Er möchte die Idee mit der „card“ schnell vergessen.

„Wir sollten dem Zeitgeist nicht hinterherrennen“, meint Westphal. „Unsere Botschaft ist auch heute noch skandalträchtig genug.“ Die Telefone würden Sturm läuten, wenn sie von der Kirche in die Tat umgesetzt würde: „Beispielsweise bei der Drogenpolitik und der Flüchtlingsfrage.“

Dagegen setzten die Hauptpastoren auf betriebswirtschaftliche Lösungen. Außerdem sollen die kirchlichen Einrichtungen schon an ihrem, um noch ein modernes Wort zu benutzen, „outfit“ erkannt werden können. Die Gemeinden dürfen sich auch auf die Suche nach außerkirchlichen Trägern machen und jede gesetzlich zulässige Rechtsform für ihre Einrichtungen wählen.

„So wenig beispielsweise deutsche Autos ihr spezifisches Image verlieren, wenn sich islamische Geschäftsleute beim Hersteller einkaufen, so wenig geht die Kenntlichkeit des diakonischen Tuns der

1Kirche sogleich verloren, wenn die konfessorische Geschlossenheit geöffnet wird“, heißt es in einem Thesenpapier, das die fünf Hauptpastoren vorgelegt haben.

1Helge Adolphsen verteidigt das Wirtschaftskonzept der Kirche als interessanten Versuch. „Wir überlegen genauso, ob Pastoren eigentlich wirklich Beamte sein müssen.“

1Es solle doch vielmehr nach Leistung gehen. Und noch eine Idee hat Adolphsen: „Auch über die Abschaffung der Kirchensteuer müssen wir reden.“ Torsten Schubert

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