Ursachenforschung bei den Handwerkern

■ "Kamin-Gespräch": Schuld an dem Bürgerfrust haben die Parteien wegen fehlender Transparenz und Demokratiedefiziten

haben die Parteien wegen fehlender Transparenz und Demokratiedefiziten

Die Kette von Skandalen, die Politiker produzieren, bringt auch die Hamburger Handwerker ins Grübeln. Das allmonatliche „Kamin-Gespräch“ der Zukunftswerkstatt der Handwerkskammer galt am Mittwoch abend denn auch den Fragen, wie weit wir noch von italienischen Verhältnissen entfernt sind, und wie die Politik- und Parteienverdrossenheit der Bevölkerung abgebaut werden kann.

Ein gewaltiges Diskussionsthema, das schon im April festgelegt wurde und nach dem CDU-Urteil des Verfassungsgerichts an Aktualität nicht zu überbieten war. So war es kaum verwunderlich, daß sämtliche eingeladenen Spitzenpolitiker der Union durch Abwesenheit glänzten, es zum Teil nicht einmal für nötig hielten abzusagen. Auch bei den Freidemokraten gab es keine Bereitschaft, sich mit Handwerkern über das Selbstverständnis der Politiker zu unterhalten. Der Fraktionschef der SPD in der Bürgerschaft schickte immerhin einen Vertreter. Entsprechend den innerparteilichen Verhältnissen der GAL kamen ein Fraktionsmitglied und ein Vertreter des Landesverbandes. Neben den Handwerkern war noch die taz vertreten.

Aufgrund dieser Zusammensetzung blieben der elfköpfigen Runde langatmige Rechtfertigungsarien und Wahlkampfgetöse der Parteifunktionäre erspart. Sehr schnell ging es ans Eingemachte. Als Referent skizzierte der Vorsitzende der Vereinigung Demokratische Offenheit (DemO), Helmut Stubbe-da Luz, seine Vorstellungen von Transparenz und Demokratisierung des Parteilebens. Ohne „Seilschaften“ funktioniere keine Partei. Wer heute Karriere machen wolle, brauche immer jemanden, der einen „nach oben zieht“. Stubbe-da Luz leitete daraus die These ab, daß wir nicht in einer Demokratie (Herrschaft des Volkes), sondern in einer „Partitikratie“ (Herrschaft der Parteien) lebten.

An dieser Stelle bekamen auch die Medien von den Diskussionsteilnehmern ihr Fett weg. Es war die Rede von der Herrschaft der Presse, die teilweise gezielt Politiker „abschießen“ würde, wie zum Beispiel Björn Engholm und Franz Steinkühler. Daß sich aber die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ebenso wie die Gewerkschaften, im festen Griff der Parteien befinden und von diesen beherrscht werden, wurde eingeräumt. Damit wurde deutlich, daß das eigentliche Problem eine Verdrossenheit der Bevölkerung mit den Parteien ist und weniger eine umfaßende Unzufriedenheit mit der Politik. Denn das Interesse vieler Bürger, sich in der einen oder anderen Weise zu engagieren, bestehe nach wie vor. Darüber war man sich weitgehend einig. Was abschrecke und Frust auslöse, sei der innere Zustand „dieser Parteien“ samt ihrer Strukturen. Mit der geforderten Transparenz und innerparteilichen Demokratisierungen wäre es demnach möglich, mehr politisch interessierte Bürger zur Mitarbeit zu bewegen. Ein vielleicht optimistisches Ergebnis der vierstündigen Diskussion, an dem aber auch eine Portion Hilflosigkeit erkennbar wird. Norbert Müller