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Von Debatte konnte nicht die Rede sein

Experten, Politiker und Umweltverbände enttäuscht über öffentliche Anhörung zum Energiekonzept  ■ Von Dirk Wildt

Berlin. Eines war am Mittwoch im Haus der Kulturen der Welt unstrittig: Die Menschheit – und die Berliner – verbrauchen zuviel Energie und tragen so zur lebensbedrohlichen Erwärmung der Erdatmosphäre bei. Doch auf der „öffentlichen Anhörung zum Energiekonzept Berlin“ – bis zum Jahr 2010 soll die Emission des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) in Berlin um ein Viertel vermindert werden – waren sich die rund hundert Teilnehmer nicht einmal über dieses Minimalziel einig.

„Das ist eine Quasselveranstaltung“, monierte Martin Jänicke, Leiter der Forschungsstelle für Umweltpolitik (FFU) an der FU. Die Veranstaltung mache doch nur Sinn, wenn man diskutiere, doch die Vertreter etwa der Handelskammer, der Wirtschaftsverwaltung oder der Bewag schwiegen einfach. Auch die Verkehrsverwaltung blieb Antworten schuldig, ob und wie man den Kohlendioxidausstoß im Verkehrsbereich zu halbieren trachte. Statt dessen wiederholte Staatssekretär Schmitt (CDU), was Verkehrsinitiativen ihm ohnehin nicht mehr glauben: Der öffentliche Nahverkehr soll bevorzugt werden.

Holger Rogall, SPD-Abgeordneter, stellte enttäuscht fest, daß die Umweltverbände resigniert hätten und die andere Seite wiederum nur darstelle, wo überall nicht an Energie gespart werden könne. Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatten die ganztägige Veranstaltung bereits am Morgen verlassen. Während Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) in seiner Eröffnungsrede eine CO2-Abgabe und Benutzervorteile für energiesparsame Autos vorgeschlagen hatte, hatten die beiden Umweltorganisationen noch ein 10 Meter breites Transparent ausgerollt: „CO2-Halbierung statt Klima-Kosmetik.“ In einem Flugblatt erinnerten sie daran, daß sich Berlin mit seinem Beitritt zum „Klimabündnis europäischer Städte zum Erhalt der Erdatmosphäre“ im Jahr 1990 verpflichtet hatte, den jährlichen Ausstoß des Treibhausgases bis zum Jahr 2010 auf die Hälfte zu minimieren.

Der Umweltsenator selbst sah seinen Anspruch, für das Energiekonzept einen breiten gesellschaftlichen Konsenz zu erreichen, mit dem Abschied der beiden Umweltgruppen nicht in Frage gestellt. Das Wichtigste für ihn sei jetzt, die Öffentlichkeit über die drohende Klimakatastrophe aufzuklären und so von der notwendigen drastischen Energieeinsparung zu überzeugen. Er selbst halte an dem Ziel der 50prozentigen Reduzierung fest, auch wenn Berlin aus eigener Kraft nur ein Viertel sparen könne – für den Rest brauche man Änderungen bei Bundesgesetzen und entsprechende Initiativen auf EG-Ebene. Den größten Spielraum beim Sparen sieht der Senator im Baubereich und Verkehrssektor.

Von dem unglücklichen Verlauf der Veranstaltung ließen sich Hassemer und sein Staatssekretär Lutz Wicke (CDU) nicht irritieren. Sogenannte Umsetzungsszenarien, in denen die Kohlendioxidreduktion für einzelne Bereiche genau ausgearbeitet ist, erstellt die Umweltverwaltung gerade. Das Energiekonzept soll in dieser Legislaturperiode vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden.

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