: Ministerkarussell
■ Brasilianische Kabinettsumbildung offenbart Regierungskrise
Rio de Janeiro (taz) – In der brasilianischen Hauptstadt Brasilia dreht sich das Ministerkarussel mit Höchstgeschwindigkeit. Am Mittwoch abend entließ Präsident Itamar Franco mit Wirtschaftsminister Eliseu Rezende, Verwaltungsministerin Luiza Erundina sowie Agrarminister Lazaro Barbosa gleich drei Regierungsmitglieder. Mit weiteren Entlassungen ist zu rechnen.
Die Kabinettsumbildung begann mit dem Rausschmiß von Verwaltungsministerin Luiza Erundina. Die 59jährige Politikerin, Gründungsmitglied der brasilianischen Arbeiterpartei PT, hatte sich hinter die Forderungen der Angestellten des Öffentlichen Dienstes gestellt, die vor dem Regierungspalast für höhere Löhne streikten. Als die Polizei die Demonstration auflösen wollte, gesellte sich die Verwaltungsministerin zu den Streikenden. Kurz darauf wurde sie von Präsident Franco telefonisch entlassen.
Auch Wirtschaftsminister Eliseu Rezende, dem von der Presse vorgeworfen wird, brasilianischen Baufirmen für Bewässerungsprojekte in Peru und Ekuador Regierungskredite in Höhe von 115 Millionen Dollar verschafft zu haben, konnte sich nicht länger auf seinem Posten halten. Zu seinem Nachfolger wurde der bisherige Außenminister Fernando Henrique Cardoso ernannt. Cardoso ist nun schon der vierte Wirtschaftsminister Brasiliens innerhalb von sieben Monaten.
Die Kabinettsumbildung, die sich wahrscheinlich auch auf die Ministerämter im Bereich Umwelt, Gesundheit und Verkehr erstrecken wird, ist Ausdruck der bisher größten Regierungskrise seit Francos Amtsantritt im Oktober 1992.
Der ehemalige Vizepräsident kam als Nachfolger des gestürzten Staatschefs Fernando Collor de Mello an die Macht. Dieser wurde damals vom brasilianischen Kongreß wegen Korruption seines Amtes enthoben. Politische Kommentatoren schließen nicht aus, daß auch Itamar Franco selbst vorzeitig zurücktreten wird. Astrid Prange
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen