Gesucht: der mißliebige Ausländer

■ Frankreichs Regierung will grünes Licht für schärfere Personenkontrollen geben / Schengen konterkarrieren

Paris (taz) – Die französische Regierung kommt ihrer rechten Wählerschaft weiter entgegen: Justizminister Pierre Méhaignerie hat am Mittwoch im Kabinett eine Gesetzesreform vorgestellt, die der Polizei bei Personenkontrollen freie Hand geben soll. Erst vergangene Woche hatte der Minister dem Parlament einen Text zur Verschärfung der Einbürgerungsbestimmungen vorgelegt. Eine dritte Neuerung steht kommende Woche auf dem Programm: sie betrifft das Gesetz zum Aufenthalt von AusländerInnen, das ebenfalls noch härter gefaßt werden soll. Somit können sich all die Franzosen bestätigt fühlen, die vor allem AusländerInnen und EinwandererInnen für die zunehmende Kriminalität verantwortlich machen.

Die jetzt vorgelegten Änderungen des Strafgesetzes über Personenkontrollen wurden von Innenminister Charles Pasqua vorbereitet. Theoretisch besteht in Frankreich keine Ausweispflicht, doch besagt das Gesetz schon heute, daß „die Identität einer jeden Person kontrolliert werden kann, um einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung... vorzubeugen“.

Wer keine Papiere bei sich trägt, kann allein unter dem Verdacht eines geplanten Vergehens in Handschellen auf die Polizeiwache gebracht und dort vier Stunden lang festgehalten werden. Die Polizei interpretiert diese vage Formel oft nach Belieben. Häufigste Opfer sind dunkelhäutige Menschen und insbesondere Jugendliche. So wurden in einem Fall in der Nähe eines Pariser Vorortbahnhofs zwei Menschen nur deshalb kontrolliert, weil sie sich in fremder Sprache unterhielten und „weil dort oft geklaut wird“, so die Begründung der Polizisten. Der Höchste Gerichtshof gab der Klage gegen dieses Vorgehen im November statt und erklärte, die Gefahr für die öffentliche Ordnung müsse „direkt mit den Personen in Verbindung stehen, die kontrolliert werden“, ein vager Verdacht reiche nicht aus. Somit sind willkürliche Kontrollen selbst in „heißen“ Vierteln heute illegal, aufgehört haben sie allerdings nicht.

Um seinen Beamten solch lästige Prozesse zu ersparen und ihre Praktiken zu legalisieren, will Pasqua das Gesetz nun so erweitern, daß Personenkontrollen völlig „unabhängig vom Verhalten“ des Betroffenen möglich werden. Selbst die gemäßigte „Gewerkschaftsunion der Justiz“ kritisierte, daß „diese Vorschrift ganz eindeutig darauf zielt, eine Gesetzgebung umzuwandeln, die die individuellen Freiheiten schützen soll“. Die linke Richtergewerkschaft betonte, die Reform betreffe „vor allem diejenigen, die stets vorschnell als Unruhestifter bezeichnet werden: die Jungen und die Ausländer“.

Ein weiterer Absatz des Reformpakets betrifft das Schengener Abkommen über den freien Personenverkehr in neun EG-Ländern. Das Ende der Grenzkontrollen wurde von der französischen Regierung zwar jüngst auf unbestimmte Zeiten verschoben, weil die Nachbarländer die Bedingungen für die Öffnung der Grenzen noch nicht erfüllten. Dennoch arbeitet Frankreich fleißig am Sicherheitsaspekt. So sollen mit Beginn der Freizügigkeit an all seinen Grenzen im Umkreis von 30 Kilometern sämtliche Personenkontrollen erlaubt sein. „Auch die öffentlich zugänglichen Zonen von Häfen, Flughäfen und Bahnhöfen, die für internationalen Verkehr geöffnet sind“, dürfen dann nach Belieben kontrolliert werden, heißt es in der Gesetzesinitiative. Die Absicht ist klar, gesucht wird auch hier der mißliebige Ausländer. Ende April hatte sich ein solcher aus Angst vor einer Polizeikontrolle in Paris in den Kanal gestürzt. Da dem Senegalesen niemand zu Hilfe kam, ertrank der Mann. Den Polizisten sei „kein Fehler vorzuwerfen“, hieß es im Untersuchungsbericht, es handle sich um einen Unfall. Bettina Kaps