■ Der bayerische Innenminister Edmund Stoiber gewinnt aller Voraussicht nach den Machtkampf mit Theo Waigel um den Posten des bayerischen Ministerpräsidenten
: Mit Stoiber gegen die Reps

„Theo Waigel hat etwas zu sagen, das unterscheidet ihn von den Showmastern in der Politik.“ So heißt es vollmundig in einer 32seitigen Broschüre, die von der Münchner Landesleitung der CSU vor 18 Monaten herausgegeben wurde. Theo Waigel, so will es das hohe Parteilied auf den 1939 im schwäbischen Oberrohr geborenen Katholiken, „das ist Politik aus Bayern, angewandt in Bonn und weltweit erfolgreich“. Das war einmal. Seit sich der Bonner Schuldenminister danach sehnt, seine Bonner „Hundejahren“ (Waigel über Waigel) zu beenden und ins bayerische Stammland zurückzukehren, ist der einstige Hoffnungsträger zum Problem für die Christsozialen geworden.

Weil der Parteichef in bester Franz-Josef-Strauß-Tradition beanspruchte, Bayerns Ministerpräsidenten Max Streibl nach dessen Abgang zu beerben, ist in der CSU-Führung der Machtkampf offen ausgebrochen. Sechseinhalb Stunden hatte letzten Montag die CSU-Spitze noch ohne Ergebnis debattiert. Seit gestern Nachmittag, nach einer fünfstündigen Unterredung der Parteiführung, scheint nun endgültig klar: Stoiber, nicht Waigel wird's. Offiziell dementierte die CSU gestern noch – verkündet wird es wohl heute, wenn sich Partei- und Fraktionsvorstand zu einer erneuten gemeinsamen Sitzung zusammenfinden. Schon kommenden Mittwoch könnte die Landtagsfraktion Stoiber als Kandidaten für des Amt des Landesvaters nominieren.

Das Duell mit dem bayerischen Innenminister Edmund Stoiber konnte Bundesfinanzminister Waigel nur verlieren: Die Parteibasis ist in der Kandidatenfrage zwar nach wie vor verunsichert, doch der Funktionärsapparat steht mit großer Mehrheit auf Seiten Stoibers. Auch die Landtagsfraktion hat sich hinter den Rechtsausleger gestellt.

Kurz: Der Theo muß nun möglichst „unbeschädigt“ wieder zurück nach Bonn. Angeschlagen wird der Finanzminister nun am Kanzlertisch Platz nehmen. Daß sein Posten als Parteichef aufgewertet werden soll, wird ihm wenig helfen. Wenn Stoiber, wie geplant, den Vize-Vorsitz für einen Waigel-Getreuen freimacht, wiegt das den Imageverlust in Bonn nicht auf.

Symptomatisch für die Verwirrung, die der erstmals offen ausgetragene Führungskampf mit sich bringt, ist ein „Appell zum Konsens“, vom Bezirksverband Augsburg letzten Montag an die Parteispitze gerichtet. Der geschäftsführende Vorstand in der Schwabenmetropole mahnte: „Als erste Forderung ergeht ein dringender Appell an alle Verantwortlichen auf Landesebene, in fairen und offenen Gesprächen den Konsens zwischen Theo Waigel und Edmund Stoiber herbeizuführen.“ Der Wille zur Harmonie herrscht auch in den anderen Bezirksverbänden – nur mit ihrer Personalentscheidung lagen die Augsburger falsch. Im Streitfall wollten sie den Schwaben Waigel stützen.

Wie sehr Waigels Freunde ins Hintertreffen geraten sind, zeigt das Beispiel Mittelfranken. Dort hatte Bezirkschef Hans Spitzner am vergangenen Wochenende die Vorstände der Ortsverbände zusammengetrommelt, um sie auf den Kandidaten Waigel einzuschwören. Der Versuch mißlang. Vier von fünf votierten für Stoiber.

Für den Strauß-Zögling Stoiber spreche, meint etwa der Bezirksgeschäftsführer Horst Wipplinger (44) aus Salzwedel, daß er wie keiner in den vergangenen Jahren die Partei des Bayern Franz Schönhuber bekämpft hat. Stoiber, „das ist der meistgehaßte Mann bei den Republikanern“. Auch dem Waigel-Freund und Augsburger Geschäftsführer Michael Kugelmann gilt Stoiber als ein „kantiger Politiker, der die Zähne zeigen kann“. Dessen strammer Rechtskurs, fürchtet Kugelmann aber, könne zwar die zu den Reps abgewanderten Protestwähler zurückgewinnen, er könnte aber auch die Wähler am liberalen Rand der CSU verschrecken. – Um Wählerstimmen geht es schließlich.

1994 wird ein entscheidendes Jahr. Auf die Europawahl folgt im September die Landtagswahl, im Oktober entscheiden die WählerInnen schließlich über die Zusammensetzung des Bundestages. Der Super-GAU, den CSU-Parteistrategen fürchten: Bei der Europawahl rutscht die CSU unter die magische Fünfprozenthürde (bei den letzten Bundestagswahlen erlangte die CSU bundesweit noch 7,1 Prozent), im Landtag verliert sie (dank Schönhuber) die absolute Mehrheit – alles Vorboten, die auf einen immensen Bedeutungsverlust der CSU im Bundestag hinauslaufen. Die stramme Landesjustizministerin und CSU-Vizefrau Mathilde Berghofer-Weichner warnt: „Die Situation ist dramatisch. Es könnte sein, daß wir in fünf Jahren eine sehr kleine CSU und einen großen Landesverband der CDU in Bayern haben“. – Den CSU-Mitgliedern vor Ort sind dererlei Überlegungen noch fremd. Sie haben einstweilen noch nicht nachvollziehen können, warum Ministerpräsident Max Streibl seinen schönen Posten räumen muß und damit die ganzen Erbschaftskalamitäten verursacht. „Der ist doch ein feiner Kerl, kein Spruchbeutel“, meint etwa der Münchner Georg Engel, seit 41 Jahren in der CSU. Dürfte Engel, der 20 Jahre einen Ortsverband in München leitete, entscheiden: Stoiber und Waigel blieben „wo's san“. Die Landtagsfraktion würde sich „wie ein Mann“ hinter den amigogeschädigten Streibl stellen, den „bellenden Hunden“ würde schon „das Maul gestopft“. Der Waigel, das weiß er auch, „den brauchen wir in Bonn wie das tägliche Brot“.

Wenn die Streibl-Nachfolge heute ausposaunt wird, wird sich wohl mancher auf Franz Josef Strauß besinnen. Affären um Freiflüge oder überlassene Firmenfahrzeuge hätte dieser ohne zu Zucken weggesteckt. Das wissen auch die rund 50 CSUler, die sich letzte Woche in Regensburg zusammenfanden. Aufregung hätte es einmal gegeben, weil der Strauß bei einem Besuch in Kuweit eigens eine schwere BMW-Limousine einfliegen ließ. Skandal, hätten alle gerufen, dabei hat doch alles sein Gutes gehabt: Die Saudis, so will es ein BMW-Mitarbeiter wissen, hätten anschließend 78 Edelkarossen bestellt. Wolfgang Gast, München