Asylgesetze kippeln – aber kippen sie?

■ Selbst Klose erwartet nur eine knappe Mehrheit in der SPD-Fraktion für Grundgesetzänderung

Bonn (taz) – Eine Woche vor der Entscheidung über die De-facto-Abschaffung des Asylrechts strebt die Polemik der Asylgegner neuen Höhepunkten zu. Bundestagspräsidentin Süßmuth malt in der Bild-Zeitung die Gewalt der Straße an die Wand, CDU/CSU-Fraktionschef Schäuble hält den in der Bannmeile geplanten Gottesdienst für eine „Gotteslästerung“ und Mecklenburgs Innenminister Rudi Geil (ebenfalls CDU) schiebt einen künftigen Anstieg des Rechtsextremismus in Deutschland schon heute auf die SPD – falls sie dem „Asylkompromiß“ am Donnerstag nicht zur Zweidrittelmehrheit im Bundestag verhilft.

Denn ob sie das tun wird, ist bis heute zumindest fraglich. Selbst Klose konnte Kanzler Kohl am Mittwoch nur mitteilen, er rechne in seiner Fraktion „mit einer knappen Mehrheit“. Und der SPD-Asylexperte Dieter Wiefelspütz sagte in einem Gespräch mit der taz, die Mehrheitsverhältnisse in der SPD-Fraktion seien „brüchig“. Für viele SPD-Abgeordnete, darunter den ehemaligen Fraktionschef Hans- Jochen Vogel, sei entscheidend, ob Union und FDP im Streit um einen vorläufigen Rechtsschutz für aus sogenannten sicheren Drittländern eingereiste Asylsuchende zu Zugeständnissen bereit seien. 20 bis 25 SPD-Abgeordnete könnten ihr Abstimmungsverhalten noch davon abhängig machen, ob die Regierungskoalition in dieser Frage einlenke. Dies könne für das Ergebnis entscheidend sein.

Wiefelspütz wies darauf hin, daß in der SPD-Fraktionssitzung am Dienstag eine Vorentscheidung über den Asylkompromiß falle. Lehne die Fraktion das vorliegende Verhandlungsergebnis mit Mehrheit ab, werde es auch am darauffolgenden Tag im Bundestag „keine verfassungsändernde Mehrheit geben“.

Um im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit zu erzielen, müßten 50 der 239 SPD-Abgeordneten mit der Koalition stimmen. Wiefelspütz hielt es jedoch für „so gut wie ausgeschlossen“, daß eine derartige Zahl von SPD-Abgeordneten im Bundestag gegen ein negatives Votum ihrer Fraktion dem Regierungsentwurf zustimmt. Käme es dennoch dazu, so der Abgeordnete wörtlich, „wäre dies das Ende der SPD-Fraktion im Bundestag“. Der SPD-Abgeordnete Detlev von Larcher, der dem linken Frankfurter Kreis angehört, sagte der taz im Interview: „Jetzt könnte es eine Mehrheit gegen den Kompromiß geben.“ Bei der anschließenden Abstimmung allerdings würden, so schätzt er, genügend FraktionskollegInnen mit der Begründung, daß es sich um eine Gewissensentscheidung handelt, für die Grundgesetzänderung stimmen.

Wiefelspütz sagte weiter, die Befürworter des Asylkompromisses in der SPD- Fraktion warteten darauf, daß die strittigen Fragen noch „auf Elefantenebene“ gelöst würden. Bislang haben offenbar aber auch Kloses Gespräche mit Schäuble und Kohl kein greifbares Ergebnis gebracht. Auch Innenminister Seiters (CDU) sowie Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger lehnten Nachbesserungen ab. Sie wollen dabei bleiben, daß aus sicheren Drittstaaten eingereiste Asylsuchende ihre Klage gegen eine Abschiebung aus dem Ausland betreiben müßten. hmt/MR Interview Seite 4