Prometheus, gefesselt im Mittelmaß

Das „unerklärliche Felsgebirge“ ist ganz und gar erklärlich: an eine karge Skulptur aus Autobahn- und Neubausiedlungsbetonplatten wird Prometheus in der kahlen Halle gekettet, nachdem er den Menschen das Feuer, die Kultur und den Sozialismus gebracht hat. Arbeiterlieder probiert er noch mit dem lederbejackten Götterschmied Hephaistos (Erdogan Atalay) und dem handwerklich begabteren Zeusknecht Kratos (Ragnar Freidank), bevor sie ihn an den Fels schmieden. Olga Wildgrubers Inszenierung von Aischylos' Promtheus in Fesseln war die letzte Premiere bei den Jungen Hunden im Mai.

Die Absolventin der Flimm- Schule für Schauspieltheaterregie hat die antike Tragödie zu einer gut einstündigen Kurzfassung zusammengestrichen, deren Motivation aber nicht deutlich wurde. Der statische Verlauf des großen Textes über den einstigen Zeus-Berater, der zur Strafe für sein menschliches Engagement und sein verbissenes Verschweigen der Vorahnung vom Untergang der Götter ans Gebirge gefesselt wird, wo ein Adler täglich seine Leber frißt, wird in der Wildgruber-Version zwar gestrafft, aber weder konzentriert noch beschleunigt.

Hübsche, intelligent erdachte Episoden bleiben die Auftritte jener Gäste und Leidensgefährten des Prometheus, die mal - wie der Chor der Okeaniden - mit Blumentopf, Schokolade und Jägermeister über die Beleuchterbrücken auftreten, mal wie Hermes auf Rollschuhen oder wie Okeanos durch den Regen kommen. In der Titelrolle deklamiert sich Michael Sideris die Seele aus Hals und Kopf, während Claudia Rebekka Burckhardt als kuhgehörnte Io vor Wahnsinn wiehernd durch den Saal trabt.

Prometheus in Fesseln, gefesselt im selbstgewählten Mittelmaß. Trotz der zwar nicht sehr überraschend gespielten, aber einfallsreich umgesetzten Idee vom Stück blieb eine eigene Idee von Theater im Dunkeln. Aber so ist im deutschen Stadttheater Lorbeer ja eh gleich büschelweise zu gewinnen. Ulrich Angler