Auch der Toni kann es nicht mehr retten

■ Beim vermeintlichen Abstiegskick in Duisburg treffen die Paulianer Toni Sailer wieder - der sitzt dort auf der Ersatzbank

treffen die Paulianer Toni Sailer wieder — der sitzt dort auf der Ersatzbank

Bestimmt wird auch wieder jemand an den Toni denken. Irgendwo im Duisburger Wedau-Stadion wird heute ein Plakat hängen mit „Toni, wir vermissen Dich“. Aufgehängt von St. Pauli-Fans, die mit dem blonden Wuschelkopf, dem Sailer Toni, die letzte Saison verbinden, die St. Pauli als Vierter in der zweigeteilten zweiten Liga abschloß. Markus Sailer, wie „Slalom-Toni“ eigentlich heißt, riß damals die Fans am Millerntor zu Begeisterungsstürmen hin — 15 Tore schoß der gebürtige Baden-Württemberger für die Hamburger. Nach jedem Treffer lief er wie ein Wilder vor die Tribüne, vor „seine“ Fans, um sich feiern zu lassen. Inzwischen sitzt er auf der Tribüne, denn in Duisburg ist er zweite Wahl. Auch beim Nachfolger von Trainer Uwe Reinders, dem Fußball-Ökologen Ewald Lienen, hat er sich noch nicht zur ersten Elf durchgedribbelt.

Sailer hat keinen adäquaten Nachfolger in dem Team von Trainer Seppo Eichkorn gefunden. Toni überraschte mit seinen Aktionen Trainer, Fans, Mitspieler und Gegner; seine Hamburger Stürmerkollegen wirken im gegnerischen Strafraum stets nur selbst verwirrt. Die Chancen, daß der Tabellenneunzehnte vom Millerntor beim Aufstiegskandidaten Duisburg auch nur einmal den Ball im Tornetz versenken kann, sind minimal. Geschwächt von 42 Spieltagen, scheint das Team von Eichkorn das Saisonende herbeizusehnen. Fünf Punkte aus vier Spielen brauchen die Kicker vom Kiez noch, um auch in der nächsten Saison gegen Meppen und Co. spielen zu dürfen und nicht in die Niederungen der Amateurklasse zu Holstein Kiel, TuS Hoisdorf und Kickers Emden hinabsteigen zu müssen.

Genau dorthin würde gern die bisherige Amateurabteilung des

1Vereins. Am Sonntag beginnt die Aufstiegsrunde zur Oberliga Nord. Die Amateure des FC St. Pauli spielen zunächst beim SV Wilhelmshaven. Das Image des ewigen Underdogs, der Rackerer, der Kämpfer, erfüllt die Elf von Amateurtrainer und Profimanager Jürgen Wähling in den Augen der Fans schon seit langem besser als die Profimannschaft, der Habgier und Egoismus nachgesagt wird. Und so

1liegt die Horrorvision nahe: Die Herren Profis steigen ab, die Proletarier Amateure auf und müssen dennoch weiter in der Verbandsliga kicken. Ungerecht ist das (Vereins-) Leben.

Über das sportliche Debakel hinaus wartet bei dem Abstieg auch ein finanzielles Debakel auf den Klub von Präsident Heinz Weisener. Von Stürmer Martin Driller verlautet, daß er zu einem westfäli-

1schen Oberligisten wechseln will. Ablöse würde in diesem Fall nicht in St. Paulis Schatullen fließen. Andere Spieler, die der Verein gerne verkaufen würde, will keiner haben. Und so bleibt wieder nur die Erinnerung an Toni. Der war für den Spar-Preis von 48 000 Mark gekommen, vom schwäbischen Verbandsligisten TuS Backnang, gekauft hat ihn der MSV Duisburg für 800 000. Aber das erwirtschaftete

1Geld hat der FC St. Pauli nicht in einen neuen Tribünen-Helden investiert, sondern in die Vorstadt- „Bollers“ Jeschke und Co., die sich durch ihr mittelprächtiges Gekicke keine Sympathie-Plakate und schon gar keinen eigenen Fan-Club verdient haben. So bleibt nur noch ein nostalgisches Häuflein, das sich an der S(a)eilerstraße zuprostet und sentimental seufzt: „Ach ja, der Toni“. Charlotte Muth