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Kein Geld, aber ein Ohr oder zwei

■ SPD-PolitikerInnen beguckten vor Ort in Findorff das Leben — von Polizei bis Kita

Wirkliches Leben zumindest zum Angucken statt der üblichen papierenen Vorlagen: zur Stadtteilbegehung Findorff waren am Mittwoch Abgeordnete und Deputierte quer durch einige Ressorts aus dem SPD-Unterbezirk West gestartet. Einige PolitikerInnen standen auf dem Programm, aber dann doch nicht vor Ort; aber die meisten machten sich bei bestem Sonnenschein unerschrocken auf den Weg zu Schulen und Polizeiwachen, Kitas und allerlei Initiativen. Denn da findet sich die Bevölkerung, und an die wollte man die sozialdemokratischen Ohren halten.

Und die Findorffer Bevölkerung, soweit es sich beispielsweise um die Polizeibeamten der Wache Fürther Straße handelte, fand:

1. Daß die Bürgerweide polizeilich zweigeteilt zu Findorff und Schwachhausen gehört, ist Quatsch — das machen die Findorffer lieber insgesamt selbst.

2. Den neuen Kolleginnen steht man „sehr offen“ gegenüber — allerdings gibt es noch keine.

3. Gegen die erheblichen Nachwuchs-Sorgen bei der Polizei ist bessere Besoldung angesagt — vor allem in den unteren Statusgruppen, fanden die SPDlerInnen.

4. Gegen den als „Polenmarkt“ bezeichneten Flohmarkt auf der Bürgerweide müsse man „ganz rigoros“ verfahren. „Ich will den ganz weghaben“, kommentierte dazu unverblümt, aber „nur als persönliche Meinung“, die Abgeordnete Ilse Lakmann, offen wie immer.Der Beirat sieht das allerdings differenzierter.

Thema Bildung: Seine riesengroße Sorge hat das Schulzentrum Regensburger Straße zu melden: Die Anmeldungen für den Gy- Zweig dünnen gefährlich aus, die Konkurrenz zum AG und zu Hermann Böse ist hart. Man ist auf Profilsuche. Im Wohnstift Walsroder Straße, über seine Integration in den Stadtteil und den vielbeachteten Mittagstisch für SeniorInnen auch aus den umliegenden Straßen, konnte „nur Gutes“ gesagt werden.

Richtig Alarm meldete dagegen die Abgeordnete Jutta Kellmann-Hoppensack aus der „fif“, der Findorffer Frauen-Initiative, die Kindergruppen, Kurse und Cafe anbieten. Wegen der Finanzierung als „Eltern-Kind- Gruppe“ sorgt der Monatsbeitrag von 310 Mark plus Essen für eine ungewollte soziale Sortierung; nur halbwegs Betuchte können sich sowas leisten. Mit ABM bricht jetzt bald noch die Leitung weg, das bedroht die Kindergruppen massiv.

Mit der Kita Dresdner Straße fanden die beiden Sozialdemokratinnen einen erfreulichen Ausnahmefall vor: ein neuer Mobilbau, schöne Ausstattung, drei funktionierende Gruppen — trotz der neuen Sparmaßnahmen. Kita- Leiterin Carla Ulrichs, die sich vorher im Fehrfeld an Spritzen, Süchtige in den Kinderwaschräumen und sogar einmal an eine Leiche im Sandkasten gewöhnen mußte, ist begeistert über das kleine neue Haus. Das Arbeitsklima ist so gut, daß die Mitarbeiterinnen beschlossen haben, etwaige Stundenkürzungen auf alle zu verteilen. Ihre Erfahrung mit der Anmeldesituation: Für die alleinerziehenden, beruftstätigen Frauen hat es gerade mal knapp gereicht; Mütter, die gern wieder arbeiten wollen, haben aber kaum eine Chance auf einen Kita-Platz. Riesen-Problem auch in Findorff ist der Hortbereich, der hohe Anteil an Alleinerziehenden weiß einfach nicht, wohin mit den Kindern nachmittags. Weite Wege schon für die Kleinsten sind sowieso normal, Fernsehkonsum vor dem Kindergarten nichts Ungewöhnliches.

Die Abgeordnete Wulff und die Beirätin Becker kennen Zahlen und Probleme, sehen sich aber „ohne Lobby gegenüber Wirtschaft und Finanzen“.

Im evangelischen Kindergarten an der Neukirchstraße, aus den 50er Jahren, ist die Lage ähnlich: für das Nur-Nachmittagsangebot, ohne Mittagessen, gab es 30 Plätze, aber nur 9 Anmeldungen. Teilzeit- und Ganztagsunterbringung sind stark nachgefragt, 54 Absagen hat es bis jetzt schon gegeben, 30 davon für ganztags. Leiterin Margret Kollmeier räumt nach den Vorgaben Kindern aus Familien mit sozialen oder wirtschaftlichen Problemen den Vorrang ein. Daß eine Mutter eine Ausbildung abschließen oder endlich auch wieder arbeiten will oder muß, kann sie nicht berücksichtigen — bei Frauen mit Ehemann schon gar nicht.

Serien von Kirchenaustritten erzwingen auch hier kleinere Etats, die Bezahlung der Erzieherinnen ist so schlecht, daß es bei einem 20-Stunden-Vertrag oft mal gerade für die Miete reicht, viele jobben nebenbei. Etwas zeitverzögert kommt auch bei der Kirche die Tendenz: Kürzungen, Streichungen, Mehrbelastung. 20 Kinder sind schon jetzt in einigen Gruppen.

Ist es nicht immer dieselbe Leier, daß die Projekte und Einrichtungen über Geldmangel klagen und die PolitikerInnen nicken müssen? Den Polizeibeamten sagen die SPDlerInnen, daß sie für mehr Bezahlung sind, dem Schulzentrum, daß es gestärkt gehört, der fif, daß dort Unterstützung kommen soll, der Kita, daß man über Beirats- oder Wettmittel vielleicht etwas erreichen kann. „Wir brauchen die Argumente der Menschen vor Ort“, sagen die Stadtteil-BegeherInnen, „wenn wir für unsere Bereiche Geld locker machen wollen.“ S.P.

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