Alices Nachwuchs...

■ ...übt Pflegemanagement / 1908 gründete Alice Salomon die Fachhochschule

Berlin. Krankenschschwestern geben nach vier Jahren frustriert ihren Job auf. In Altersheimen arbeiten oft mehr Studenten und Aushilfskräfte als ausgebildetes Fachpersonal. Die Zustände in deutschen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sind inzwischen unhaltbar geworden. Gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegebedürftigen mit jedem Jahr. Momentan sind 1,6 Millionen Menschen in der Bundesrepublik auf Pflege angewiesen, fand eine vom Ministerium für Familie und Senioren in Auftrag gegebene Infratest-Studie heraus. Neue Wege sucht deshalb die Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Berlin.

Geplant ist, einen Studiengang Pflegemanagement einzurichten, der sich an erfahrenes Pflegepersonal wendet. Mindestens vier Jahre praktischer Berufserfahrung werden verlangt. Das Studium soll neue Erkenntnisse in der praktischen Pflege geben, hauptsächlich jedoch auf Leitungsaufgaben vorbereiten. Sowohl Betriebswirtschaft als auch Personalführung spielen in einem modernen Klinikum inzwischen eine große Rolle – in der Ausbildung werden sie vernachlässigt. Dies möchte der auf acht Semester angesetzte Studiengang nachholen und dem Pflegepersonal zusätzliche Qualifikationsmöglichkeiten bieten. Denn mit mangelnden Aufstiegsmöglichkeiten begründen viele Betroffene ihren Ausstieg aus dem Beruf. „Es gibt einen Riesenbedarf für diesen Studiengang, bei uns haben sich schon rund 220 Interessierte gemeldet“, berichtet Rolf Landwehr, Verantwortlicher für Hochschulreformen an der Fachhochschule. Studien- und Prüfungsordnung des neu einzurichtenden Studienganges liegen vor. „Wir sind in der Lage, im Herbst anzufangen“, beurteilt er die Vorbereitung. Zunächst werden im nächsten Semester jedoch keine Krankenschwestern im Hörsaal sitzen. Die Finanzierung durch den Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses steht nämlich aus. Bei der Finanzlage des Senats ist eine Zusage fraglich. Obwohl, wie Rolf Landwehr betont, „im Hochschulstrukturplan der Ausbau der Fachhochschulen gefordert wird“.

Die in der Fort- und Weiterbildung stark engagierte Fachhochschule setzt mit ihrer Zusammenarbeit zwischen Theoretikern und Praktikern die Tradition ihrer Gründerin Alice Salomon fort. Diese hatte schon 1928 den „praxisfernen Charakter“ der Hochschulen beklagt. „Man sollte der Idee entgegentreten, daß die Fachschule den Menschen für seinen Beruf ,fertig‘–machen kann.“ Bereits 1908 gründete die stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine in Schöneberg die erste deutsche „Soziale Frauenschule“. Sie leitete die Ausbildungsstätte für Sozialarbeiterinnen bis 1924. Als eine der ersten Frauen erhielt sie in Berlin den Doktor verliehen. Ihr Promotionsthema lautete „Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit“. Die zum Protestantismus übergetretene Jüdin verlor nach der „Machtergreifung“ der Nazis alle öffentlichen Ämter. Ihre Akademie hat sie selbst geschlossen, als die Nazis von ihr verlangten, sie solle eine jüdische Lehrkraft entlassen. Nach einem Verhör durch die Gestapo und ihrer Ausweisung aus Deutschland 1937 emigrierte sie in die USA. Dort setzte sie ihre sozialpädagogische Tätigkeit fort. 1948 starb sie in New York.

Mit mehr als 1.000 Studenten ist die Alice-Salomon-Fachhochschule heute eine der größten Hochschulen des Sozialwesens in Deutschland. Mehr als 1.500 Praktiker nehmen dort jährlich an Fort- und Weiterbildungskursen teil. Besonders gefragt ist der Weiterbildungsstudiengang „Psychosoziale Versorgung“, auch die Zusatzausbildung für Kita-Leiterinnen bangt nicht um Nachwuchs. In Zukunft möchte man wegweisend sein – etwa mit einem viersemestrigen Aufbaustudiengang Sozialmanagement. Sozialarbeiter sollen sich in Betriebswirtschaft, Kostenrechnung, Managementaufgaben sowie in Drittmittelbeschaffung für neue Projekte schulen. Doch auch diese ehrgeizigen Pläne könnten am Diktat des Geldes scheitern. Hella Kloss