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Opfer-Verbände der Ex-DDR werden ärmer

■ Weil die ABM-Stellen auslaufen, müssen die verschiedenen Initiativen zur DDR-Geschichtsaufarbeitung ihre Arbeit drastisch reduzieren

Berlin (taz) – Werner Kiontke vom „Unabhängigen Dokumentationszentrum und Archiv“ (UDZ) ist einigen Kummer gewohnt. Fragt man ihn nach den Perspektiven der Sammelstätte, die von Stasiauflösern und Bürgerrechtlern des Vereins „Bürgerkomitee 15. Januar“ in Berlin in Prenzlauer Berg aufgebaut wurde, antwortet er trocken: „wie üblich – schlecht“. Wenn jetzt nichts passiere, „dann ist bei uns am Ende November Schluß“. Das Ende könnte kommen, weil bis dahin die 14 ABM- Stellen des Projektes ausgelaufen und anderweitige Mittel zur Finanzierung der Arbeitskräfte nicht in Sicht sind.

Ähnlich sieht es bei der „Hilfsorganisation für die Opfer politischer Gewalt in Europa“ (Help) aus. Der Verein, der sich nach dem Mauerfall karitativen Aufgaben für die Opfer politischer Willkür verschrieben hat, hatte ursprünglich vier Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bewilligt bekommen. Zwei sind schon ausgelaufen, die beiden anderen werden in Kürze auslaufen. Für Help-Mitarbeiterin Hussock heißt das: „Dann ist bei uns Ebbe.“ Die Beratungsstelle, die auch eine Forschungsbibliothek betreibt und Lesungen von ehemaligen Verfolgten organisiert, wird dann nur ehrenamtlich arbeiten können. Das heißt für Hussock, daß dann die „Arbeit erheblich eingeschränkt, wenn nicht ganz und gar zu Ende ist“.

Betroffen ist auch die „Astak“, die „Antistalinistische Aktion Berlin Normannenstraße“, die in den Arbeitsräumen des einstigen Stasi- Chefs Erich Mielke ein Museum der Banalität des Schreckens betreibt. Die Ausstellung, die monatlich von bis zu viertausend Besuchern aufgesucht wird, muß wohl die Pforten schließen, wenn Ende August die 13 ABM-Stellen nach zwei Jahren nicht mehr verlängert werden. Schon heute haben die Mitarbeiter Schwierigkeiten, den Unterhalt der Forschungs- und Gedenkstätte zu finanzieren. Die 2.400 Quadratmeter im Haus 1 des früheren Stasi-komplexes in Berlin-Lichtenberg sind dem Projekt nach einer Vereinbarung zwischen Treuhand und Oberfinanzdirektion zwar mietfrei überlassen worden, doch schon die Betriebskosten von fünf Mark je Quadratmeter machen dem Museum zu schaffen, summieren sie sich doch allein schon auf 12.000 DM im Monat.

„Alles deutet darauf hin, daß auf Seiten der politisch Verantwortlichen die Bereitschaft zur Unterstützung offensiver Aufarbeitung der DDR-Geschichte nicht sonderlich ausgeprägt ist“, schreiben die Astak-MitarbeiterInnen verbittert in einer Selbstdarstellung ihres Projektes in der Zeitschrift Guck und Horch, die vom Verein „Bürgerkomitee 15. Januar“ herausgegeben wird. An erster Stelle dürften sie damit den Berliner Kultursenat meinen, der angesichts der arg gekürzten eigenen Töpfe eine Finanzierung der Astak ablehnt. Die Geschichtsaufarbeitung, heißt es in den Berliner Kulturbehörde, ist erst einmal Aufgabe des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen. Nicht einzusehen sei, das es für das, was der Pfarrer Gauck eh schon macht, noch einmal Geld geben müsse. Naht das „Ende der speziellen Geschichtsaufarbeitung der DDR durch Opfer und Verfolgte“, wie es das Bürgerkomitee-Mitglied Lothar Röhrdanz meint?

Im Dresdner „Forschungszentrum zu den Verbrechen des Stalinismus“ haben die Mittelkürzungen bereits durchgeschlagen. Von sieben beantragten ABM-Stellen erhielt der Verein vier – eine lief bereits aus, die anderen drei hat das Arbeitsamt weggekürzt. Die ursprünglich gedachten Aufgaben kann das Zentrum nun nicht mehr leisten, erklärt der Landtagsabgeordnete Michael Arnold, der das Zentrum mitgründete. An eine Begleitung von Strafverfahren gegen ehemalige MfS-Mitglieder sei nun nicht mehr zu denken. Mit ehrenamtlichen Mitarbeiter sei dies nicht zu leisten. Gestorben scheint damit auch die Idee, öffentliche Bildungsveranstaltungen über Wirken, Auftrag und Struktur der Stasi zu veranstalten.

Betroffen sind auch überregionale Einrichtungen. Auch der „Bund der Stalinistisch Verfolgten“ (BSV) mit seinen rund 6.000 Mitgliedern in den neuen Bundesländern wird wohl seine Möglichkeiten drastisch reduzieren müssen, wenn die Mittel nach dem Arbeitsförderungsgesetz gestrichen werden. Allein im Berliner Landesverband der Betroffenen-Organisation laufen zwischen dem 14.August und dem 31.Dezember alle acht Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus. Die Mitarbeiterin Alliger hat das Gefühl, „die Opferverbände sind nicht mehr so wichtig“. Als Beleg führt sie an, daß seit Anfang des Jahres von keiner Seite mehr finanzielle Mittel für die laufende Arbeit zur Verfügung gestellt werden.

Das wüßte auch die CDU-Vizechefin und Familienministerin Angela Merkel, die versprochen habe, sich „intensiv engagieren zu wollen“. Beim Versprechen sei es bisher aber geblieben.

Den einzigen Ausweg aus dem drohenden finanziellen Desaster sehen die verschiedenen Verbände, bei all ihrer Verschiedenheit und unterschiedlichen politischen Auffassungen, in dem Versuch, eine gemeinsame Dachorganisation zu gründen. Dadurch könnte die Arbeit der Gruppen institutionalisiert werden, andere Haushaltstöpfe als die der Nürnberger Bundsanstalt für Arbeit könnten erschlossen werden. Dazu aber müssen die BürgerechtlerInnen sich auf ein neues Feld begeben: das der Lobby-Politik. Wolfgang Gast

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