Dokumentation: Ein sicherheitspolitisches Konzept?
■ Auszüge aus einer Rede von Generalinspekteur Klaus Naumann
(...) Wir brauchen eine Konzeption, die Sicherheit gibt und zugleich Spielraum für langfristige Lösungen nach dem Übergang in eine veränderte Weltordnung läßt. (...) Sicherheitspolitik als Gesamtaufgabe unter den neuen strategischen Bedingungen läßt sich weder inhaltlich noch geographisch, noch institutionell eingrenzen. Wir brauchen einen breiten politischen Ansatz und ein flexibles Instrumentarium internationaler Politik. Eine dazu geeignete Sicherheitsarchitektur muß die europäischen und transatlantischen Institutionen und Prozesse umfassen, und sie muß Organisationen enthalten, die die Befugnis haben, Mandate zu erteilen; aber auch solche, die Mandate ausführen können. So gesehen ergänzen sich beispielsweise KSZE und Nato als komplementäre Elemente einer Sicherheitsarchitektur. (...)
Die Aufgabe der Nato bleibt natürlich Schutz durch Verteidigung und Kriegsverhinderung durch Abschreckung, aber für das Krisenmanagement der Allianz genügt dies allein nicht mehr. Es gilt nachzudenken, wie man Konflikte vorbeugend politisch verhindern kann, und dazu gilt es Kooperation mit Abschreckung im Sinne von Abhaltung ebenso zu verbinden, wie Kooperation bei irrationalem Verhalten und erkennbarer Konfliktbereitschaft in Strafandrohung umschlagen muß. Es ist eine neue sicherheitspolitische Dimension, die es erst noch zu durchdringen gilt und für die es auch Normen des Völkerrechts zu entwickeln gilt. Kein Zweifel, wir alle sind für den Schutz der Menschenrechte und gegen Völkermord, aber gibt es ein Recht auf oder gar eine Pflicht zur Einmischung? Minister Rühe hat in seiner Rede am 26. März auf einen Punkt hingewiesen, der in der Tat des Durchdenkens und der politischen wie völkerrechtlichen Regelung bedarf, wenn man Konflikte verhindern will, als er sagte: „Die Allianz-Streitkräfte sollten auch zu Mitteln einer präventiven Diplomatie werden. Der Kampfeinsatz von Streitkräften ist zwar die letzte Möglichkeit, politische Ziele zu erreichen. In dem Bemühen, Krisen zu lösen, kann der präventive Einsatz von Streitkräften zu einem entscheidenden Element werden (...) Unter bestimmten Umständen müssen sie (die Streitkräfte) die Voraussetzungen für einen Neuansatz der Politik schaffen.“ (...)
Die politischen Vorgaben für die Bundeswehr sind somit gegeben, der neue Auftrag ist klar, und entsprechend läuft der Umbau der Bundeswehr. Wir werden einen Teil der Bundeswehr zum sofortigen Einsatz verfügbar halten und in diesen Krisenreaktionskräften in höherem Maße Zeit- und Berufssoldaten verwenden als in den Hauptverteidigungskräften, die im Frieden vor allem unsere Wehrpflichtigen und Reservisten ausbilden und die erst nach Mobilmachung voll einsatzbereit werden.
Noch während wir umgliedern und im Osten unseres Vaterlandes aufbauen, müssen wir aber bereits Soldaten auf der Grundlage von Mandaten der UNO oder der KSZE in UN-Kontingenten oder in der Nato einsetzen: Gegenwärtig sind rund 700 Mann eingesetzt. Unsere Transall fliegen nach Ostbosnien. Im Juli, nach Abschluß der Verlegung nach Somalia, werden wir insgesamt rund 2.400 Soldaten im Einsatz haben. Keine leichte Aufgabe, denn der Umbruch bei uns, in Europa und in der Welt ist noch keineswegs bewältigt. (...)
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