Inhalt verduftet

■ Aber die Form bleibt: "Erste Internationale Tauschbörse für Parfüm-Miniaturen"

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Aber die Form bleibt: „Erste Internationale Tauschbörse für Parfüm-Miniaturen“

“Sie, ist Ihre Zeitung nicht feministisch?“, fragt mich die Frau des Organisators und sagt zur Strafe nur noch, daß sie beruflich eigentlich im Pflegenotdienst arbeitet — aber nicht mehr wo genau.

Zur Strafe sage ich nicht, ob meine Zeitung feministisch ist oder nicht, obwohl ich mich im stillen fragen muß: was wäre, wenn? Dürfen Feministinnen duften wollen? Dürfen Sie klitzekleine Flaschen lieben? Und was ist mit allen anderen, die nachweislich nicht feministisch sind?

Ach, Fragen über Fragen, dabei gäbe es soviel zu kucken: ein goldig ansteigendes, wohlabgefülltes Meer von schillernden kleinen Fläschchen wogt an jeder Wand des Konsul-Hackfeld-Saales; ein jedes auf seinem Kartönchen, mit verschieden hohen Kistchen drunter wie Treppen zum Himmel. Aber was heißt klein: klitzeklitzeklitzeklein. Oder däumlinggroß, so daß ein Sammler schnell wie Gulliver bei den Parfümzwergen aussieht und besser daran tut, sich nicht von der Stelle zu rühren.

Das muß er aber, schließlich ist das hier eine Tauschbörse. Da muß gesucht und gefunden werden! Silvia Bugla zum Beispiel hat schon die sogenannte „Büste“ von Schiaparelli entdeckt, ein winziges Dingelchen aus Glas mit gekreuztem Schärplein drüber. Noch eine Nummer kleiner, und es wäre der absolute Hit in der Sammlung gewesen. Nein, nicht auf den Inhalt, nur auf die Form kommt's an, der Inhalt ist unwichtig und verduftet ja auch so schnell.

Trotzdem sieht voll hübscher aus als leer, findet Frau Bugla, auch wenn sie niemals an ihren Fläschchen riecht. Das kann man auch gar nicht, an 3000 Fläschchen riechen. Ihr Mann sammelt seit Jahren mit, parfümbewußt geworden, ja verwachsen mit den Flacons durch seine Frau. Man liebt eben gemeinsam das Schöne. Auch ihre Bekannten sammeln, darunter Lehrer, Polizisten, Buchhalter. Wieso: warum? Als Gegensatz wahrscheinlich, zum Beruf. Früher, als es noch keine Börsen gab, da mußte man noch richtig Anzeigen in BRIGITTE etc. aufgeben, um an die Klitzekleinen ranzukommen. Aber seit die erste Börse 1986 in Erkelenz ihr Pförtchen öffnete, ist alles viel einfacher. Im Ruhrgebiet, wo es sonst auch nicht so niedlich ist, ist fast jede Woche irgendwo eine Börse.

Günter Pichotka, der Organisator, hat keine Berührungsängste mit eventuell feministischen Zeitungen und erzählt bereitwillig, daß er dem Hobby seiner Frau zuerst teilnahmslos gegenüberstand, bis eine lange Kur sie trennte. Da hat er sich intensiv mit dem heimischen Flaconvorkommen beschäftigt. Und plötzlich war er dann Börsen-Organisator; ja, so geht's, wenn sich Männer richtig für was interessieren! In den Vitrinen zu Hause stehen jetzt nur noch die besnderen Flacönchen; zum Beispiel „Moments“ von Priscilla Presley. Das gibt's als Miniatur eigentlich nur im riesigen Amerika, aber für Europa jetzt auch bei Pichotkas.

Die meisten Sammler haben mit kostenlosen Pröbchen-Röhrchen angefangen, aber die gibt's heute nicht mehr. Man muß alles alles kaufen. Nur zur Abwechslung erwirbt man auch mal ein richtig großes Parfüm, aber nur als Schmuckflasche fürs neue Badezimmer; und zwar mit gefärbtem statt mit echtem Duftwasser. Hauptsache, es ist schön. So schön. Wie der Flaconhase, der kurz vor Schluß noch die Seiten wechselte. Claudia Kohlhase