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Bewußtsein gestoppt

■ Minimalismus im Theater am Halleschen Ufer: Das Tanztheater Rubato hatte Premiere mit „Stopping Mind“

„Stopping Mind“ heißt die neueste Produktion des Tanztheaters Rubato, die letzten Mittwoch Premiere hatte. Eine Komposition für Tanz, Musik und Sprache, in der das Bewußtsein gestoppt scheint und Körper zu ganz von den Gesetzen der Physik regierten Gestalten werden. Die Bühne verwandelt sich in ein Gravitationsfeld, in dem eine permanent wechselnde Energiedichte die Körper in Bewegung setzt.

Phosphoreszierende weiße Linien markieren ein Quadrat auf dem Bühnenboden, verschieden hohe, weiße Säulen ragen im Hintergrund empor: ein geometrisches Bild, fortgeführt in den Wegen der drei in Weiß gekleideten TänzerInnen (Jutta Hell, Miriam van Steenhoven und Dieter Baumann). Die Linien, für die Tänzer unüberschreitbar, schließen den Bewegungs-Raum ein. Nur zum Schluß werden die drei das Quadrat verlassen und im Dunkel zwischen den Säulen verschwinden.

Doch zuvor 13 Minuten Trippeln mit vorgebeugtem Oberkörper. Dann Zweier- und Dreierkonstellationen, die im nächsten Moment wieder zerfallen. Anziehung und Abstoßung: Ein diagonaler Lichtkorridor zieht die Körper in die hintere rechte Bühnenecke. Auf dem Rückweg bricht ein magnetischer Sturm aus und sorgt für abrupte Richtungswechsel. Wie im Reflex schnellen die Beine empor und werden von den Armen ebenso reflexhaft wieder zurückgeschlagen. Die Monotonie der Bewegungen führt zum zwangsläufigen Ausbruch, die Körper fallen zu Boden, erheben sich wieder und ziehen in immer gleichen Bahnen weiter. „Menschliche Lebensmuster müssen ins Fremde übertragen werden, um beschreibbar zu sein“, schreibt Rubato in der Programmankündigung. In „Stopping Mind“ ist diese Fremdheit der Minimalismus: In der völligen Reduktion wird nach den Ursprüngen von Bewegungsimpulsen gesucht.

Mit Kaskaden von Konsonanten, Zisch- und Schnalzlauten begleitet Eberhard Blum, der seinen Lautplan John Cage zugeeignet hat, die Reise durch magnetische Stürme, luftleere Räume und anderen Seltsamkeiten. Sebastian Hilken spielt das Cello, sein Gesicht leuchtet schemenhaft, weit über den Tänzern erhöht im Hintergrund – ein Passepartout in der Bühnenrückwand macht's möglich. Die elektronischen Klänge von Wolfgang Bley-Borkowski vollenden das musikalische Dreieck. Es ist nicht gerade leichte Kost, die das Tanztheater Rubato seinen Zuschauern vorsetzt, und bis zu den eigentlichen Brennpunkten sind sie bei ihrer Suche noch nicht vorgestoßen. Es sind eher Vorahnungen, die der 70minütige Tanzabend umkreist. In jedem Fall aber lohnt sich die den Zuschauern abverlangte Anstrengung. Nach „SOS“ (1991 unter der Leitung des im vergangenen Jahr verstorbenen Gerhard Bohner entstanden) und „Gesänge der Nacht“ (1992) ist Rubato mit „Stopping Mind“ ein großer Schritt zu einem ganz eigenen Profil gelungen. Die Entscheidung, einen Regisseur (Ditmar Lenz) hinzuzuziehen, erweist sich als richtig. 200.000 DM hat Rubato von der Berliner Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten in diesem Jahr erhalten und ist damit die am höchsten geförderte Tanzgruppe der Stadt. Zwei Produktionen sind mit diesem Geld geplant, die zweite soll im Herbst ebenfalls am Theater am Halleschen Ufer herauskommen. Auf die Entwicklung kann man gespannt sein. Michaela Schlagenwerth

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