Kohl: Deutscher Paß auf Zeit für Ausländer

■ Kohl steht einer befristeten doppelten Staatsbürgerschaft für Ausländer aufgeschlossen gegenüber / Innerhalb von fünf Jahren müßten sich in der BRD geborene Ausländer für einen Paß entscheiden

Frankfurt (dpa/taz) – Bundeskanzler Helmut Kohl steht Vorschlägen, bei in Deutschland geborenen Ausländern für eine befristete Zeit die doppelte Staatsbürgerschaft zuzulassen, aufgeschlossen gegenüber. Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung müßten sich die in der BRD lebenden Ausländer nach einer bestimmten Frist – die Rede ist von etwa fünf Jahren – jedoch endgültig für die Zugehörigkeit zu einem Staat entscheiden. Die Forderung, allen ausländischen Mitbürgern auf Wunsch die doppelte Staatsbürgerschaft zuzugestehen, lehnt der Bundeskanzler dagegen unverändert ab.

Die Frage der Staatsbürgerschaft der 1,8 Millionen in Deutschland lebenden TürkInnen sei während Kohls dreitägigem Türkei-Besuch mehrmals angesprochen worden, berichtete der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, der CDU-Abgeordnete Thomas Kossendey. Kohl habe seine Bereitschaft signalisiert, bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes besonders auf die Belange der in Deutschland lebenden TürkInnen Rücksicht zu nehmen.

Wie ein Regierungssprecher gegenüber der taz erklärte, gibt es bislang „noch keine konkreten Vorstellungen“, wie eine befristete doppelte Staatsbürgerschaft ausgestaltet werden soll.

Dennoch ist die Bereitschaft des Bundeskanzlers, einer doppelten Staatsbürgerschaft auf Zeit zuzustimmen, ein Wendepunkt in der Debatte um das Staatsbürgerschaftsrecht. Dessen Reform wird gegenwärtig in der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat erörtert.

In der CDU hat sich im Gegensatz zu SPD und FDP bislang nur eine Minderheit für die doppelte Staatsangehörigkeit ausgesprochen. Einen Gesetzentwurf, der die doppelte Staatsangehörigkeit zum Regelfall machen will, hatte die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP) Anfang Februar vorgelegt. Auch eine „Kampagne für die Doppelte Staatsbürgerschaft“ sammelt seit dem Frühjahr Unterschriften für das Recht auf Einbürgerung für in Deutschland geborene Kinder.

Bei der Einbürgerung muß bisher die alte Staatsangehörigkeit aufgegeben werden, was zu zahlreichen Nachteilen im Heimatland führt. In der Türkei können Ausgebürgerte keine Immobilien besitzen, Probleme gibt es auch beim Erb- und Rentenrecht. In der Praxis werden doppelte Staatsbürgerschaften deshalb von deutschen und türkischen Behörden geduldet. In Berlin besitzen mehr als 40 Prozent der Eingebürgerten die doppelte Staatsbürgerschaft, bei den TürkInnen sind es sogar fast alle. win