: Fachtagung mit Bioquack
■ Gentechnologie und Reproduktionsmedizin / Mehr Infos für Frauen?
/ mehr Infos für Frauen?
Die Folgen von Gentechnologie und Fortpflanzungsmedizin für Hamburger Frauen standen gestern bei einer Tagung des Senatsamtes für die Gleichstellung zur Diskussion. Mit ihrer Rolle als Verbraucherinnen von gentechnisch hergestellten Medikamenten, Möglichkeiten und Problemen der humangenetischen Beratung und mit ungewollter Kinderlosigkeit setzten sich die rund 150 TeilnehmerInnen auseinander. Diskussionsgrundlage war eine Studie über Reproduktionsmedizin, Gentechnologie, pränatale Diagnostik und ihre Bedeutung für die Frauen. Um diese im Auftrag des Senatsamtes für die Gleichstellung erstellte Bestandsaufnahme gab es gestern im Congress Centrum erhebliches Gerangel. Die Autorinnen Dr. Gisela Gräning und Tina Kratz haben ihre Studie nicht wie angekündigt selbst vorgestellt. Sie kritisierten die Konzeption der Tagung. Statt Frauen als Expertinnen in eigener Sache habe das Senatsamt männliche „Technologie-Experten“ geladen, so Tina Kratz in einem Offenen Brief an die Tagungsteilnehmerinnen. Das Senatsamt habe sie kurzfristig ausgeladen mit der Begründung, „auf einer Fachtagung habe die Kritik an der Konzeption keinen Platz“.
In Hamburg bestehe erheblicher Bedarf an Information, Beratung und Weiterbildung für Frauen über Gen- und Reproduktionstechnologie, lautet das Fazit der Autorinnen.
Dem widersprach gestern die Frankfurter Historikerin Barbara Duden. „Die Forderung nach mehr gentechnischen Informationen halte ich für unangebracht, beinahe für eine Gemeinheit“, sagte die Gesellschaftswissenschaftlerin in ihrer harschen Kritik an der Studie. Die sei zudem im verquasten Dialekt „Bioquack“ geschrieben, gespickt mit Fachworten, die vor zehn Jahren noch niemand kannte. Barbara Duden lehnt es entschieden ab, daß den Frauen die Köpfe mit Geninfos vollgestopft werden. „Statt auf ein Kind zu warten, warten Frauen dann auf ein genetisches Etwas“. Sie warnte vor dem Anspruch aufs „Qualitätskind“. „Wenn das Labor vollständig in unsere Wirklichkeit überschwappt, können Frauen nicht mehr nein sagen“.
Auch Senatorin Traute Müller wies auf Probleme hin, die Frauen aus dem Zugriff dieser Technologien auf ihr Leben erwachsen. Die immer weiter gehenden Möglichkeiten von Fortpflanzungsmedizin und Untersuchungen vor der Geburt hätten weitreichende Folgen für die Frauen, so die Senatorin. „Der gesellschaftliche Druck nimmt zu, Untersuchungen über Mißbildungen vor der Geburt vorzunehmen“. Die Tagung solle Anstoß geben für eine selbstbestimmte Schwangerschaft und eine selbstbestimmte Auseinandersetzung mit der ungewollten Kinderlosigkeit. „Eine Gesellschaft, die Behinderung zunehmend ausgrenzt, in der Qualitätskontrollen bei entstehendem Leben eingeführt werden, wendet sich gegen das Leben selbst“. Vera Stadie
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