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Warum zahlte der AStA an den Gerichtsvollzieher?

■ Neuer Skandal-Bericht um AStA-Finanzen erhitzt studentische Gemüter / Vorwürfe vor allem gegen Frauen-AStA

Die demokratischen Vertretungsorgane der Universität, „Studentenrat“ und „AStA“, sollen die Interessen der Studierenden wahrnehmen, sagt die Verfassung dieser Selbstverwaltung. Mit den Beiträgen — 20 Mark pro Nase und Semester — sollen die Studierenden eine Spielwiese haben, wo sie Demokratie üben können, behauptete dagegen böse Zungen immer: Kungeln, Mauscheln, Kompromisse schließen muß eben auch fürs Leben gelernt sein.

Im Bremer AStA ist über Jahre offenbar auch Korruption, Veruntreuung und Schlamperei geübt worden. Was die „Finanzprüfungskommission“ im nun vorgelegten zweiten Teil ihres Berichtes an Details auflistet, sprengt allerdings den Rahmen üblicher Finanz-Schiebereien. Die schwerwiegendsten Verdachtsmomente richten sich gegen den „Frauen-AStA“. Ab 1990 hat diese Studentenschafts-Vertretung über die ihr anvertrauten Gelder schlicht keine Auszahlungsanordnungen mehr angefertigt, behaupten die studentischen Finanzprüfer. Jedenfalls lägen keine vor. Es fehlen die Begründungen für Konto-Vorgänge. Da findet sich eine Überweisung von 3.375,40 Mark an den „Obergerichtsvollzieher P. Schmidt“, auf dem Konto-Zettel steht: „In Sachen K.T. Wiards“. Der Verdacht liegt auf der Hand, daß da private Schulden aus Studentenschafts-Geldern beglichen wurden. Ein anderer Fall: 5.000 Mark gingen am 10.12.90 auf das Konto der AStA-Vorsitzenden Gränzer. Zahlungszweck: „Dokumentation über den Frauen-AStA/Pressespiegel“. Die Frage, ob eine AStA- Vorsitzende sich die Herstellung einer Dokumentation ihrer eigenen Arbeit bezahlen lassen darf, wirft die Finanzprüfungskommission gar nicht erst auf. Unklar ist, ob es überhaupt eine Dokumentation gegeben hat — „zumindest im Bereich der Universität nicht“, erklärt die Kommission.

Ein Computer, der auf AStA- Kosten gekauft wurde, ist in der Inventarliste nicht enthalten und soll in Frankfurt gelandet sein. Für einen Bus sind zwar 16.000 Mark ausgezahlt worden, „es fehlt aber jeglicher Hinweis auf den Kaufvertrag“. Und so weiter. Fazit aus den im einzelnen aufgelisteten Vorwürfen: „Schwere Manipulation der AStA-Finanzen“.

Ein anderer Komplex des Finanzprüfungsberichtes betrifft die AStA-Druckerei. StudentInnen sollen dort zum Sondertarif drucken lasen, Externe zu normalen Tarifen. Die Autonomen-Zeitschrift „Kassiber“ gehört nach Ansicht der Kommission zu den Druckwerken, „die universitäre Belange nicht betreffen“. Dennoch zahlte sie nicht den normalen Tarif. Allerdings auch nicht den Studenten- Sondertarif, sondern genoß „nicht näher nachvollziehbare Vorzugspreise“. Hintergrund: Einer der Mitarbeiter der AStA- Druckerei hatte selbst eine Kandidatenliste (mit dem Namen „Guy Faulkes“) gegründet und dann als Studentenrats-Mitglied der damaligen AStA-Koalition mit seiner Stimme zur Mehrheit verholfen. Verdacht der Finanzprüfungskommission: Der entsprechende Mitarbeiter hat nicht nur „untersagte Geschäfte mit sich selbst“, sondern auch Dumping-Preise zugunsten seiner eigenen Gruppe gemacht. In den Druckerei-Belegen sei zudem „systematisch verschleiert“ worden, daß der „Kassiber“ überhaupt gedruckt worden war. Entgegen einschlägigen Vorschriften habe die Druckerei über eigenes Konto und Barkasse verfügt. Schlußfolgerung der Finanzprüfer: „Die gesamte Belegschaft muß fristlos gekündigt werden.“

Im AStA hat das Papier gestern für helle Aufregung gesorgt: Der Bericht lag weder dem AStA noch dem Studentenrat vor. Stellungnahmen zu einzelnen Vorwürfen konnte es deswegen noch nicht geben. Politische Intrigen werden vermutet, die gegenseitigen Beschuldigungen kochen hoch.

Kai Offermann, Mitglied der alten und der neuen Finanzprüfungskommission und für die Liste „Zorro/Geld zurück“ im Studentenrat, wirft der neuen Mehrheit Verschleierungsinteresse vor — immerhin sitzt Martina Renner als Finanz-Referentin wieder im AStA. Die verweist darauf, daß der Frauen-AStA längst entlastet sei. Auf jeden Fall hat die heutige Sitzung des StudentInnen-Rates hinreichend Stoff für erhitzte Übungen in Sachen Demokratie. K.W.

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