Unerwünschte Arzneimittelrisiken

■ EG: Schutz für Pharmaindustrie gefordert

„Einen Maulkorb für PharmakritikerInnen“, nennt Jörg Schaaber von der „Buko Pharma Kampagne“ einen Beschluß der EuropaparlamentarierInnen, der die freie Berichterstattung über gesundheitsschädigende Nebenwirkungen von Medikamenten einschränken soll. Würde sich der „Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz“ des Eropäischen Parlaments mit seinen Vorstellungen durchsetzen, dann müßten Journalisten sich künftig gründlich überlegen, ob sie es sich noch leisten können, über Arzneimittelrisiken zu berichten. Denn nach den Wünschen der EuropaparlamentarierInnen sollen die Medien nur noch dann über neue Arzneimittelrisiken berichten dürfen, wenn sie zuvor von den Behörden offiziell bestätigt wurden.

Anlaß für diesen Beschluß, der schon vor einigen Wochen gefällt wurde, gab die Diskussion über eine neue Richtlinie zur Neuordnung des Pharmamarktes. Dabei geht es vor allem um die Einführung von einheitlichen Zulassungs- und Überwachungsverfahren in den EG-Mitgliedstaaten. Bei dieser Gelegenheit ergriff der Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz die Initiative, die Akzeptanz für Arzneimittel zu verbessern. Er empfahl in einer Stellungnahme dem Europäischem Parlament, die Arzneimittelrichtlinie dahingehend zu ändern, daß künftig eine Entschädigung verlangt werden kann, wenn „nicht offiziell genehmigte Angaben, die nicht der Wahrheit entsprechen“ verbreitet werden. „Damit soll, entgegen der derzeitigen Praxis, die Beweißlast umgekehrt werden“, so das Fazit des Pharmakritikers Schaaber. Kritische Berichterstatter könnten dann mit ungerechtfertigten Schadensersatzforderungen überhäuft werden. Für Ulrich M. Moebius, Herausgeber des arznei-telegramms, wäre das das Ende des Patientenschutzes. Seinen kritischen Informationsdienst müsse er dann vermutlich einstellen.

In der Begründung, die der Parlamentsausschuß für seine Empfehlung mitlieferte, fordert er nicht nur zur verstärkten Beobachtung von kritischen Zeitschriften auf, die Behörden sollen sogar selbst eingreifen, um zu verhindern, daß ungenehmigte Berichte veröffentlich werden. Wörtlich heißt es dort: Der „Änderungsantrag zwingt die Mitgliedstaaten dazu, darüber zu wachen, daß Informationen im Hinblick auf die Arzneimittelüberwachung erst nach amtlicher Bestätigung verbreitet werden.“

Sollte das Europäische Parlament die Empfehlung des Ausschusses übernehmen und einen entsprechenden Gesetzesantrag stellen, könnte nur noch der Ministerrat der EG diese Vorschrift verhindern. Wolfgang Löhr