■ Das Portrait
: Ferdinand Lassalle

Das Problem mit unseren Politikern ist, daß sie nach Liebe dürsten. Sollte ausgerechnet darin die geheime Botschaft bestehen, die von der Geburtstagsfeier der SPD in Leipzig zu uns drang? Ferdinand Lassalle, der Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, er wurde von den seinen geliebt. Wer aber liebt uns, die Nachgeborenen, obwohl wir uns ohn' Unterlaß für das Gemeinwohl verzehren? Dabei war Ferdinand Lassalle ein Tunichtgut, Verprasser fremder Vermögen, mit Frauen mehr beschäftigt als mit Untersuchungsberichten über die Lage der arbeitenden Klasse. Außerdem ein größenwahnsinniger Machtmensch, der über seine Partei wie ein Diktator herrschte. Hatte er sich nicht sogar mehrfach mit Bismarck getroffen, um diesem mit seiner Idee eines sozialen Kaisertums auf die Nerven zu gehen? Der eiserne Kanzler hat ihm später im Reichstag „Ehrgeiz in hohem Stil“ attestiert: „Ob das deutsche Kaisertum mit der Dynastie Hohenzollern abschließen sollte oder mit der Dynastie Lassalle — das war ihm vielleicht zweifelhaft.“ Schließlich war Lassalle auch ein schlechter Philosoph, Theoretiker und Stratege. Er hielt vom gewerkschaftlichen Kampf ebensowenig wie vom Bündnis mit fortschrittlichen Teilen der Bourgeoisie, war ein Kriegstreiber und besaß außerdem noch die Frechheit, sich Ratschlägen seitens der Londoner Patriarchen zu widersetzen.

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Kein Wunder, daß die SED August Bebel, den tapferen, konsequent revolutionären Sohn seiner Klasse dem dekadenten Parvenu vorzog. Interessanterweise tat das auch die DDR-Opposition von Stefan Heym bis Christoph Hein. Letzterer läßt Lassalle in „Lassalle fragt Herrn Herbert nach Sonja“ resümieren: „Ich habe ein paar Schriften veröffentlicht um den Beifall von Personen, die ich verachte. Ich habe eine Partei gegründet und geführt für Leute, die nichts anderes wünschen, als in Ruhe gelassen zu werden. Ich habe einige Leidenschaft gezeigt, die nicht die meine war.“

Unternimmt Christoph Hein, der Materialist, hier nicht den Versuch, das abzutöten, was Lassalle zur Persönlichkeit machte — schamlose, offen zur Schau gestellte Lebensgier und der bedingungslose Einsatz für die Erniedrigten und Beleidigten? Muß man sich immer für eine Maske entscheiden: Toskana oder Hans-Joachim Vogel? C.S.