Bonn im Bann zivilen Ungehorsams

■ Morgen Proteste und Aktionen gegen Änderung des Asylrechts in Bonn

Bonn (taz) – Ob der Bundestag am Mittwoch mit ausreichender Mehrheit die Einschränkung des Asylrechts beschließen wird, ist noch unklar. Sicher ist hingegen, daß umfangreiche Protestaktionen die Bundestagsdebatte begleiten werden. Der „Trägerkreis Asylrecht“ und das „Büro für notwendige Einmischung“ haben ganztägige Kundgebungen vor der Bannmeile in Bonn angekündigt. Der Trägerkreis will Redner von Grünen, PDS und Flüchtlingsinitiativen aufbieten, das „Büro für notwendige Einmischung“ plant kabarettistische Auftritte. Die „Aktion Ziviler Ungehorsam“, eine Initiative von Mitgliedern des Komitees für Grundrechte und Demokratie, ruft um sieben Uhr zum friedlichen Marsch in die Bannmeile und zum Sitzstreik vor dem Parlamentsgebäude auf. 1.600 Menschen unterstützen den Aufruf, mit dem bewußt gegen das Bannmeilengesetz verstoßen wird. Keinen Gesetzesverstoß stellt der Gottesdienst dar, den die „Christen pro Asyl“ für neun Uhr in der Verbotszone angemeldet haben. Schon um sechs Uhr morgens findet am Rand der Bannmeile eine Kundgebung des „Städteplenums“ statt.

Während die Polizei mit rund 10.000 DemonstrantInnen rechnet, geht Manfred Stenner, der Organisator für den „Trägerkreis Asylrecht“, von nur 5.000 Teilnehmern aus. Die Bonner Polizei erwartet Verkehrsblockaden durch die DemonstrantInnen. Es gebe jedoch keinerlei Anzeichen für gewaltsame Aktionen, stimmten Polizei und Protestorganisatoren gestern überein. Der Gottesdienst in der Bannmeile war in den letzten Tagen Gegenstand entsprechender Befürchtungen aus den Reihen der CDU gewesen. Trotz gegenteiliger Einschätzungen der Polizei redete der Sprecher der Bundesregierung, Dieter Vogel, auch gestern noch von „gewalttätigen Störern“, auf die sich die Bundesregierung einstelle. Autonome, so orakelte Vogel, wollten die Beratungen verhindern.

Die SPD-Fraktion wird vor der abschließenden Beratung über den Asylkompromiß am kommenden Mittwoch im Bundestag keine Gespräche über Nachbesserungen mehr mit der Koalition führen. „Das ist ausgereizt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Fraktion, Peter Struck. Er widersprach damit Erwartungen, nach denen Klose noch einmal versuchen würde, im Gespräch mit Schäuble eine einvernehmliche Regelung zum Rechtsschutz für Asylbewerber, die über Drittstaaten eingereist sind, zu erreichen. Der frühere SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Hans-Jochen Vogel wollte gestern seine Haltung noch nicht endgültig festlegen. Er hoffe, daß die umstrittene Drittstaatenregelung doch noch nachgebessert werde, sagte er im Deutschlandfunk. Die jetzt vorgesehene Praxis sei verfassungswidrig. Vom Votum Vogels wollen viele noch unentschlossene SPD- Abgeordnete ihr Stimmverhalten abhängig machen.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine wandte sich gegen Nachbesserungen. „Wenn wir den Rechtsschutz für Asylbewerber hier gewähren würden, dann würde die Drittstaatenregelung praktisch wirkungslos werden“, sagte er im Saarländischen Rundfunk. Er rechne dennoch mit einer Mehrheit in der Fraktion. bn

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