Interview
: "Langeweile hat Death Metal getötet"

■ Fudge Tunnel, der etwas andere Gitarrenschmutz, heute in der Fabrik

INTERVIEW

»Langeweile hat Death Metal getötet«

Fudge Tunnel, der etwas andere Gitarrenschmutz, heute in der Fabrik

1990. Gerade begann Death Metal mehr als ein spielerisches Ausloten von Extrempositionen zu sein, in Seattle etablierte sich ein kraft- und seelenbetonter, folgerichtig äußerst roher, dreckiger Gitarrenklang. Und drei bleiche Jungmänner aus dem trüben Norden Englands spielten eine Platte namens „Hate Songs in E Minor“ ein, die diesen Schmutz in einer unfaßbaren Massivität von Gitarrenriffs faßte, die alles andere, etwa die langsamen Hardcore-Rhythmen wie auch den verhalten klagenden Gesang, in den Hintergrund postierten. 1993 versucht das eigenwillige Trio aus dieser erdrückenden Minimal-Musik Songs zu formen. Alex Newport, Sänger und Gitarrist mit dem Anschein eines hübschen langhaarigen Teenagers gibt Kunde davon.

Auf eurem Label, Earache, das für den Löwenanteil des Welttodesmetall verantwortlich zeichnet, wirkt ihr wie eine isolierte Pop-Pflanze. Wie stehst du zum Labelprogramm?

Death Metal ist passiert. Unzählige Bands, die das Rezept der Musik zu verstehen glaubten, ruinierten etwas, was hätte groß werden können. Die Langeweile hat den Death Metal getötet.

Dagegen habt ihr vorgesorgt. Mit eurer neuen Platte, „Creep Diets“, sind deutliche Veränderungen eingtreten.

Alles, was wir bisher gemacht haben, war eine große Sammlung von Gitarrenriffs. Diesmal haben wir uns an Songs versucht, was zwei Jahre in Anspruch nahm. Es war eine gute Erfahrung, eine Platte gemacht zu haben, die von vorne bis hinten schwer und heftig ist, aber um wieviel mehr wirkt diese Schwere, wenn ihr eine leise Passage vorausgeht!

Es scheinen auch nicht mehr „Hate Songs“ zu sein, auch wenn man die Melancholie noch greifen kann.

Die Wut ist immer noch da, drückt sich aber positiver aus. Es ist eine aktivere, progressivere Energie.

Eine im Bereich harter Gitarrenmusik selten anzutreffende Eigenschaft ist Humor, die Fähigkeit zur Selbstdistanz. Bei euch blinkt da was durch.

Ja, etwas ziemlich subtiles. Aber wie kann man sich und sein Tun ständig ernst nehmen?

Mit euren Texten habt ihr immer gern gespielt. Abgedruckt sind sie nie, stattdessen ist auf eurer ersten Lp zu lesen, daß sie keine Beachtung verdienen, weil sie keinen Sinn haben, die nachfolgende EP sprach von Inhalten, die man selbst herausfinden solle. Auf der neuen Platte schließlich steht: Es gibt keine Texte!

Unsere Texte sind nicht nur sehr persönlich, sie sind zudem vielfach lesbar und (akustisch) kaum zu verstehen. Was jedoch geschah, war, daß Leute aufgeschrieben haben, was sie zu hören glaubten und begannen uns dafür anzumachen oder einfach nur ständig nach etwas fragten, was dort überhaupt nicht stand. So schrieben wir, das die Texte unwichtig sind, in der Hoffnung, danach in Ruhe gelassen zu werden, doch das Gegenteil war und ist der Fall. Aber natürlich haben alle Texte Bedeutung. Wir verweigern uns lediglich dem Einhämmern des Offensichtlichen. Ich möchte immer Raum für eigene Positionen lassen und ich denke, daß die Leute, die sich unsere Musik anhören dafür genug Intelligenz und Individualität besitzen. Holger in't Veld

Fabrik, 21 Uhr