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Der Duft der Frauen

■ Frauenstadthaus: Von Philosophie bis Schreinern - lauter Frauenbetriebe unter einem Dach

Der Duft der Frauen

Frauenstadthaus: Von Philosophie bis Schreinern — lauter Frauenbetriebe unter einem Dach

Als eine Gruppe von Frauen vor drei Jahren ein Auge auf das Haus Am Hulsberg 11 geworfen hatte, war es noch ein einziger renovierungsbedürftiger Gerümpelhaufen. Heute ist das liebevoll rundum sanierte Gebäude ein bisher einmaliges Pilotprojekt in der Republik: Das Frauenstadthaus hat jetzt, nach siebenjähriger Vorlaufzeit, komplett sein Domizil bezogen. Hier finden allerdings nicht geschlagene Frauen Zuflucht, wie manche denken: Das Frauenstadthaus ist das bisher einzige Projekt, das ausschließlich Frauenbetriebe unter einem Dach vereint.

Die Idee nahm schnell Gestalt an: Fast 30 „Finanzieusen“ legten rund 315.000 Mark im Frauenstadthaus-Fonds an, der Verein „Frauenstadthaus GmbH“ kaufte das leerstehende Gebäude, und drei Jahre lang hämmerte, meißelte und spachtelte das Frauen- Bau-Projekt an dem Haus. Jetzt, nach der vollständigen ökologischen Instandsetzung, dem Einbau einer Regenwassernutzungsanlage, Sonnenkollektoren und einem Fahrstuhl für Rollstuhl- Fahrerinnen, haben sieben Frauenbetriebe die hellen Räume bezogen. Gute Rahmenbedingungen für selbständig arbeitende Frauen wollten sie haben, die Macherinnen des Frauen-Computer- zentrums, des Bewegungszentrums für Frauen, der Philosophischen Praxis, der Therapeutischen Praxis, des Ateliers und des Hauses der Gestaltung. Und nicht ausschließlich für, aber mit Frauen arbeiten — und über die gemeinsame Nutzung der Infrastruktur hinaus Austausch, Kooperation und neue Ideen bekommen.

Nicht für alle Betriebe gilt „ladies only“: Auf dem blauweiß-gestreiften Sofa von Agnes Hümbs' Philosophischer Praxis soll durchaus auch Hetero-Paarberatung zwecks gemeinsamer Sinnfindung stattfinden, und auch Männer können mit der Philosophin über das Leben als solches sinnieren. „Allerdings“, findet Elfie Schönheit, Yogalehrerin im Bewegungszentrum für Frauen, „wenn Männer anwesend sind, ist einfach ein anderer Duft im Raum“. Und so wird sich vorerst in ihren beiden einladenden Sälen bei Marma-Yoga, Selbstverteidigung, Tai-Chi oder Tanz ausschließlich der Duft der Frauen verbreiten.

Eine Etage höher unterm Dach residiert das Frauen-Computer- Zentrum in einem regelrechten Computer-Atelier. Benutzerinnenfreundliche Arbeitsplätze, der Blick durch die zehn Meter lange Fensterfront, eine himmelblau und schäfchenweiß getupfte Decke, viel Holz und Grün und nicht zuletzt ein auf Frauen zugeschnittenes Lehrprogramm machen Lust auf die Männerdomäne Computer. „Frauen lernen eben besser im praktischen Zusammenhang“, meint Dagmar Klenke, und so geht es bei der Sozialwissenschaftlerin und ihrer Partnerin, einer Informatikerin, nicht so sehr technikorientiert zu. Wenn sie einer 50jährigen Hausfrau den Unterschied zwischen Programm und Datei erklären wollen, dann gibt es keine abstrakten Erklärungen, sondern das Programm wird zum Rezeptbuch und die Datei zu den Zutaten. Schon kapiert. Und die Geschichte mit 0 und 1, Sie wissen schon, die können die Frauen in einer Art Rollenspiel lernen: Wer sitzt, an der kann Strom vorbeifließen (=1), und welche steht, blockiert den Stromfluß (=0).

Erklärtes Ziel des Frauenstadthauses ist es, viele unterschiedliche Betriebe unterzubringen. Und diese Mischung ist auch gelungen: Es hocken eben nicht nur unzählige Therapeutinnen Tür an Tür. Im Erdgeschoß arbeiten Schneiderinnen und Modedesignerinnen im „Haus der Gestaltung“ an selbstentworfener Mode, die demnächst auch dort verkauft werden soll. Eine Etage höher wird über weibliche Ethik gesprochen, unterm Dach gibt die freischaffende Künstlerin Christa Höting Mal- und Zeichenkurse, und hinten auf dem Hof kreischen die Holzsägen: in der noch zu vermietenden Schreinerei werkelt die Selbsthilfewerkstatt.

Und was hier an Kooperationen zustande kommen kann, wird in etwa so aussehen: Demnächst plant die Philosophische Praxis Sonntags-Matinees — mit dazu passenden Bildern aus Christa Hötings Atelier. Seminare über die feministisch orientierte Philosophie des Leibes wird gemischt mit Yoga, letzteres fließt ein in einen EDV-Kursus. Und so weiter.

„Wir müssen keine Kompromisse mehr machen“, sagen die Frauen über ihre jetzige Arbeitsatmosphäre. Die Aufbruchstimmung zieht sich wie der knallrote Teppich durch das ganze Haus. Das Konzept ist über Deutschlands Grenzen hinweg auf großes Interesse gestoßen, sogar aus Griechenland kamen Anfragen. Und noch sind all die Möglichkeiten, die im Frauenstadthaus stecken, nicht ausgeschöpft. „Für mich ist das hier schon ein richtiges Zentrum geworden, wo alles wächst“, sagt Agnes Hümbs — „...und ich mit.“ Susanne Kaiser

Heute öffnet das Frauenstadthaus seine Türen für alle Interessierten: Von 14 bis 20 Uhr können die einzelnen Betriebe besichtigt und Informationen eingeholt werden; stündlich führen die Architektinnen des Bau-Projektes durch das Haus. Um 19.30 Abschlußwalzer.

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