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■ KommentarAlt, arm und glücklich?

Armut schändet nicht. Deutlich klingen mir die Worte meiner Großmutter noch im Ohr. „Lieber arm und glücklich, als reich und...“ - irgendwas kam dann meist im zweiten Atemzug. Jahrelang, immer wenn ich irgendeinen neuen Herzenswunsch hatte. Peinlich läuft es mir heute den Rücken herunter, wenn ich daran denke, welche Schicksalsschläge sie damit zum Guten wendete: Zwei Weltkriege erlebt, zweimal „ausgebombt“, doppelt verwitwet, alleinerziehend, Putzen gegangen, Teller geschrubbt. Zweifellos gehört sie zu einer aussterbenden Generation, einer, die „wirkliche“, und das heißt hungernde Armut noch kennt.

Jetzt hockt sie, wie zigtausend andere Alte und Älterwerdende, in ihren vier Wänden. Freut sich über das Frühstück, das die „lieben Schwestern“ allmorgendlich zubereiten. Und ärgert sich, daß sie dem „netten Herrn Apoheker“, der die wöchentliche Pillenration ins Haus bringt, keine Geschenke mehr machen kann: Weil irgendein Amt ihre Rente einkassiert, nur ein Taschengeld übrigläßt.

Ihr Leben lang streitbar, traut sie sich nicht aufzumucken: Angst vorm Pflegeheim. Denn dann muß sie „zum Sozi“. Mit altersschwachem Verstand hofft sie auf die Pflegeversicherung. Umsonst. Und wir? Birgitt Rambalski

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