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Erst die Koteletten, dann das Volk Von Andrea Böhm

L'etat, c'est moi“, sprach einst Frankreichs König Ludwig XIV. in einem Anflug royaler Anmaßung. „Le coiffeur, c'est pour moi“, sprach unlängst Bill Clinton, machte es sich auf dem Flughafen von Los Angeles in seinem Präsidentenjet bequem – und wartete auf den Friseur. An Bord kam Christophe, der, s'il vous plait, kein Friseur, sondern ein Hairstylist ist, um dem präsidialen Haupthaar wieder Form und Spannkraft zu verleihen. Letztere fehlt dem Präsidenten zur Zeit – und das mag der Grund sein, warum ihm die Presse den Fauxpas auf der Landebahn so übel nahm: Innenpolitisch will es mit Wirtschaftsaufschwung und der Bekämpfung der Staatsverschuldung nicht so recht vorangehen.

Da stieß so manchem Bürger übel auf, daß sich das Regierungsoberhaupt einen Haarschnitt 5.500 Dollar kosten läßt. Monsieur Christophe trifft in diesem Fall den geringsten Teil der Schuld. Einmal Haareschneiden, Waschen und Fönen kostet nur 200 Dollar. Die Kostenexplosion verursachte vielmehr der Umstand, daß die „Air Force One“ eine Stunde lang zwei Startbahnen blockierte.

Die Nation ist verstimmt. Ist das noch unser Bill, der Populist, der früher die Besuche beim Herrenfriseur in Little Rock so schätzte? Jener Bill, dessen Schlachtruf „Putting People First“ wir mit leuchtenden Augen überall hin gefolgt wären? Und jetzt? Jetzt kommen zuerst die Koteletten dran – und dann das Volk.

Zugegeben: Auch in der Bush- Administration hat es solche Abstürze in den Sumpf der Selbstbedienungsmentalität gegeben: Stabschef Sununu schnappte sich ab und an eine Militärmaschine, um zum Zahnarzt zu fliegen. George Bush ließ sich vom Secret Service in den Gewässern vor Kennebunkport eine private Rennstrecke für sein Motorboot absperren. Aber solche Krausereien nimmt man den Rechten im allgemeinen und Republikanern im besonderen nie so übel – im Gegensatz zu Linken im allgemeinen und Demokraten im besonderen insistieren sie nie darauf, die besseren Menschen zu sein.

Trotzdem sollte man Nachsicht üben, was Bill Clintons Friseur-Eskapaden angeht. Gerade weil es mit dem politischen Programm hapert, interessiert sich die Presse zur Zeit vor allem für Clintons Performance. Kriterien sind wie bei jeder Theaterrezension Bühnenbild, Choreographie, Kostüm und Maske. War seine Rede gestern präsidial oder plump? Signalisiert die Körpersprache Führungswillen oder zuviel Junk food?

Das Problem liegt einfach darin, daß Bill Clinton seine Rolle immer noch nicht gefunden hat. Daher die wechselnden Frisuren. Am Anfang war der „Bubba-Look“ aus Arkansas. Dann folgte im Vorwahlkampf der „Frisch gefönte Skilehrer“- Look. Im letzten Sommer hielt Clinton erstmals Christophe den Kopf hin, der sich alle Mühe gab, dem Mann die Kantigkeit eines Robert Redford zu verleihen, wozu es aber eher eines Maskenbildners bedurft hätte. Kurz vor den Wahlen verpaßte Christophe dem zukünftigen Präsidentenhaupt mit einer Tönung Marke „Villa Hammerschmidt“ einen Grauschimmer – und damit den Anschein eines elder statesman. In Flugzeugen zu arbeiten behagt Christophe allerdings nicht: Betrachtet man das Ergebnis nach der Styling-Session auf der Startbahn, ist der nächste Termin schon wieder fällig.

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