Filmfestival Cannes
: Ziemlich gerecht

■ Am Montag abend vergab die Jury ihre Preise

Die einzige unverständliche Entscheidung in dem an sich gerechten „Palmares“ dieses Festivals ist der „Grand prix special du Jury“, gewissermaßen die Silbermedaille des Festivals für Wim Wenders hochtönendes Kunstwerk „In weiter Ferne, so nah!“.

Libération kolportiert das Gerücht, starke Kräfte in der Jury hätten dem Film gar die Goldene Palme geben wollen. Louis Malle habe daraufhin die Jury gezwungen, sich ihn in einer nächtlichen Sitzung ein zweites Mal anzusehen. Danach habe man sich auf den zweiten Preis für Wenders geeinigt.

Dennoch: Ein weiteres Mal wird damit ein Kunstkinoanspruch bestärkt, der seinen eigenen Kriterien nicht mehr genügt.

Aber wie gesagt — davon abgesehen war die Preisvergabe gerecht. Zwei Auszeichnungen wurden ex aequo vergeben: Der Preis der Jury ging zugleich an Ken Loachs sozialkritisches, aber nicht -kitschiges Drama „Raining Stones“ und an Hou Hsiao Hsiens „Marionettenmeister“.

Der andere ex aequo vergebene Preis ist die Goldene Palme selbst, mit der die beiden unbestritten wichtigsten Filme des Festivals ausgezeichnet wurden: Jane Campions „The Piano“ und Chen Kaiges „Farewell to my Concubine“. Campion, die im achten Monat schwanger ist, hat damit als erste Frau in der 46jährigen Geschichte des Festivals diesen Preis erhalten.

Die anderen Preise: Der Regiepreis wurde Mike Leigh für „Naked“ zugesprochen. Auch Johnny, der junge Vagabund, um den es in dem Film geht, ist eine Art Engel, allerdings ein finsterer. David Thewlis, der wirklich beeindruckende Darsteller dieser Figur erhielt dafür den Preis für den besten männlichen Hauptdarsteller. Der Preis für die beste weibliche Hauptdarstellerin ging an die konkurrenzlose Holly Hunter für ihre Arbeit in „The Piano“.

Bleiben die Goldene Palme für den besten Kurzfilm, die an Jim Jarmuschs „Coffee and Cigarettes“ ging (der schon auf der vorletzten Berlinale zu sehen war) und die von einer anderen Jury vergebene Camera d'Or für „L'odeur de la papaye verte“ des Vietnamesen Tran Anh Hung. Mit der Camera d'Or wird der beste Erstlingsfilm ausgezeichnet. thc