Bosnien: Nato enttäuscht

■ Außenminister kritisieren Schutzzonen-Initiative / Erneut Kämpfe

Sarajewo/Brüssel/Mostar/Zagreb (dpa/AP) – Der jüngste Aktionsplan der Großmächte für Bosnien ist in der Nato auf Kritik gestoßen. Auf ihrer Frühjahrstagung in Brüssel äußerten die Außenminister der meisten Nato-Staaten gestern erhebliche Bedenken und Enttäuschung über diese jüngste Initiative, die eine Einrichtung von moslemischen Schutzzonen in Bosnien-Herzegowina vorsieht.

Der italienische Verteidigungsminister Fabio Fabbri brachte die „Enttäuschung der Europäer“ darüber zum Ausdruck, daß sie nicht konsultiert worden seien. Bundesverteidigungsminister Volker Rühe äußerte scharfe inhaltliche Kritik an der zwischen den USA, Rußland sowie Großbritannien, Frankreich und Spanien abgestimmten Initiative. Der Aktionsplan verschlechtere die Lage der bosnischen Moslems und treffe damit die Schwächsten, warnte er. Die Initiative definiere keine politische Zielvorstellung, wohl aber die Festlegung der Gebiete. Die Erfahrung zeige, daß dadurch die serbischen Gewinne sanktioniert würden. Rühe forderte die Aufhebung des Waffenembargos für die bosnischen Moslems und eine Verschärfung der Sanktionen gegen die Serben. Von der Türkei wurde die schärfste Kritik an dem Schutzzonenplan geäußert, da dieser keine langfristige politische Perspektive für Bosniens moslemische Bevölkerung vorsehe und die serbischen Gebietsgewinne faktisch absegne. Auch die Verteidigungsminister Dänemarks und der Niederlande zeigten sich äußerst skeptisch.

Der britische Verteidigungsminister Malcolm Rifkind befürwortete die Initiative entschieden. Die internationale Gemeinschaft spreche nun mit einer Stimme. Der Plan bedeute auf keinen Fall die Anerkennung serbischer Gebietsgewinne. Die US-Regierung dementierte unterdessen Vorwürfe, wonach die Schutzzoneninitiative Rußlands, der USA, Frankreichs und Spaniens die serbischen Gebietseroberungen billige. Schließlich sollten die Wirtschaftssanktionen bis zu einem serbischen Rückzug in Kraft bleiben.

Mehrere Nato-Staaten suchten die Auseinandersetzung zu entschärfen, indem sie hervorhoben, daß der Vance-Owen-Friedensplan ja auch weiterhin als langfristiges Ziel verfolgt werde. Die Einrichtung der Sicherheitszonen sei lediglich ein erster Schritt. Aus US-Kreisen hieß es allerdings in Abweichung von offiziellen Verlautbarungen, daß schon ein Wunder geschehen müsse, um den Friedensplan noch umzusetzen.

Die Führungsspitze Bosniens forderte unterdessen eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates, um „alle Konsequenzen dieses Plans“ zu erörtern, der einer „lange andauernden Isolierung der Moslems in Flüchtlingslagern“ Vorschub leiste. Durch den Plan würden lediglich „Moslem-Reservate“ geschaffen. Die Regierung in Sarajewo forderte vom UNO-Sicherheitsrat eine Rückkehr zum internationalen Friedensplan von Cyrus Vance und Lord Owen, der von serbischer Seite bereits viermal abgelehnt wurde.

Montag abend hatten die verfeindeten Bürgerkriegsparteien ergebnislos über eine mögliche Entmilitarisierung der bosnischen Hauptstadt verhandelt. Derweil setzten serbische Truppen ihre schweren Angriffe gegen eine Reihe von Städten in Nordbosnien unvermindert fort, darunter gegen die Stadt Maglaj, in der 32.000 Menschen, davon 12.000 Flüchtlinge leben. Auch aus der Herzegowina-Stadt Mostar wurden heftige Kämpfe gemeldet – zwischen Kroaten und Moslems.