Mexiko: Todesschüsse auf Kardinal

Schießerei auf dem Flughafen von Guadalajara / Der Drogenkrieg im Land eskaliert / Bereits mehrere Todesopfer in diesem Jahr – darunter Drogenbosse und Fahnder  ■ Von Dorothea Hahn

Berlin (taz) – Möglicherweise wurde ihm sein auch bei Drogendealern beliebter US-amerikanischer Schlitten Marke „Grand Marquis“ zum Verhängnis, möglicherweise gab es andere Affinitäten zu La Familia. Fest steht, daß der mexikanische Kardinal Juan Jesús Posadas Ocampo am Montag nachmittag in eine Schießerei geriet und von mindestens elf Kugeln – vor allem in der Brust – getroffen wurde. Mit ihm kamen sechs weitere Menschen bei der Auseinandersetzung auf dem Flughafen von Guadalajara ums Leben, darunter auch der Chauffeur des Kardinals, Pedro Gonzalez.

Der Wagen des 66jährigen römisch-katholischen Würdenträgers war gerade auf den Parkplatz des internationalen Flughafens eingebogen, als die Schießerei einsetzte. Nach Angaben der Behörden begann sie im Flughafengebäude und dehnte sich auf den Parkplatz aus, wo 18 Fahrzeuge förmlich durchsiebt wurden. Augenzeugen beobachteten, wie ein Schütze das Feuer auf den Kardinal eröffnete, als dieser aus seinem Auto stieg. Die Lokalzeitung Siglo 21 äußerte den Verdacht, daß er den Kardinal für einen gegnerischen Schützen hielt. Die Polizei sicherte später automatische Waffen, Handgranaten, kugelsichere Westen und Magazine für Schnellfeuergewehre auf dem Flughafen. Am Abend wurden zwei angebliche Tatbeteiligte festgenommen. Des Gouverneur des Bundesstaates Jalisco, Carlos Rivera Aceves, teilte mit, es habe sich um eine Abrechnung zwischen Drogenbanden gehandelt.

Die auf halber Strecke zwischen der mexikanische Hauptstadt und den USA gelegene Viermillionenstadt Guadalajara ist das Zentrum des Drogenkartells, wo blutige interne Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern von La Familia, aber auch Kämpfe zwischen Drogenbossen auf der einen und -fahndern auf der anderen Seite stattfinden. Am bislang spektakulärsten war der Fall des amerikanischen Fahnders Enrique S. Camarena im Jahr 1985, der zu schweren diplomatischen Verstimmungen zwischen Mexiko und den USA führte. Camarena, der der mexikanischen Polizei im Auftrag der „Drug Enforcement Administration“ (DEA) bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität helfen sollte, wurde vor den Toren des US-Konsulats in Guadalajara entführt und vor seiner Ermordung gefoltert. Bei der Fahndung nach dem Vermißten wartete die amerikanische Seite vergeblich auf mexikanische Unterstützung. Einer der Hauptverdächtigen, der inzwischen verhaftete Caro Quintero, konnte sich zwei Tage nach der Entführung unter den Augen der mexikanischen Polizei mit einem Privatjet ins Ausland absetzen.

Mexiko gilt als erster Heroin- und drittgrößter Mariahuanalieferant der USA. Nach Informationen von Fahndern gehen jährlich rund 25 Tonnen Heroin aus Mexiko in die USA. Ein Teil der Drogen wird im Land angebaut und verarbeitet, ein anderer Teil wird aus dem Rest Lateinamerikas geliefert. Fahnder berichten von einer engen Zusammenarbeit internationaler Drogenbosse auf mexikanischem Boden.

Der jetzige mexikanische Präsident Carlos Salinas de Gortari ist vor viereinhalb Jahren mit einem Kampfprogramm gegen das Drogenkartell angetreten und hat ihm mehrere schwere Schläge versetzt. Der empfindlichste war 1989 die Verhaftung des damals größten mexikanischen Dealers und Hauptversorgers der amerikanischen Westküste mit kolumbianischem Kokain, Miguel Angel Felix Gallardo – seine Häscher fanden ihn in Guadalajara.

Parallel zu Salinas Kampagne nahm die Gewalt im Drogenkrieg zu. Die Opfer waren sowohl Männer aus dem Kartell als auch Fahnder. 1992 wurde der Capo Manuel Cochi Loco Salcido in Guadalajara auf offener Straße mit einem Kopfschuß ermordet. In diesem Jahr sprang die Gewalt auf die knapp 600 Kilometer entfernte Hauptstadt und die Karibikhalbinsel Yucatán über. Ostern wurde der Drogenboß Rafael Aguilar Guajardo in Cancun ermordet. Zwei Wochen später erschossen Polizisten den Großdealer Emilio Quintero Payan in einem Vorort von Mexiko-Stadt. Die beiden vorletzten Opfer des Drogenkriegs gehörten zur Spitze der mexikanischen Justiz: Der im April beim Spaziergang in einem Park im Mexiko- Stadt erschossene Francisco Rodolfo Alvarez Farber war Generalstaatsanwalt im Bundesstaat Sinaloa. Der letzte Woche ermordete Humberto Enrique Tirado war Mitglied des Obersten mexikanischen Gerichtes. Beide hatten sich vor dem Ende ihres Lebens beruflich mit der Eskalation des Drogenkriegs in Mexiko befaßt.