■ Cash & Crash
: Flucht aus der D-Mark

Berlin (taz) – Die Pro-Maastricht-Abstimmungen in Dänemark und Britannien haben den Devisenspekulanten die Augen geöffnet. Plötzlich nehmen sie die klägliche Lage der deutschen Wirtschaft wahr: das schrumpfende Bruttosozialprodukt und Waigels Schuldenberge. Erste Fluchttendenzen aus der Mark kündigen sich an.

Je mehr die europäische Einigung wieder machbar erscheint, desto weniger gilt die D-Mark als einzig sicherer Hafen für Anleger und desto eher gewinnen Devisenhändler Vertrauen in andere Währungen. Die Wechselkurse des Guldens, des französischen Franc und sogar der Lira haben in den letzten Tagen ihre Jahreshochs erreicht; die D-Mark magert dagegen ab.

Aber mehr noch als die europäischen Währungen legen Yen und US-Dollar zu. Der Kursanstieg der japanischen Währung – um zwölf Prozent seit Jahresbeginn – ist eindeutig auf den enormen Außenhandelsüberschuß Japans (drei Prozent des Bruttosozialprodukts) zurückzuführen. Der Dollar stieg kurzfristig auf über 1,64 DM, sechs Pfennig mehr als Anfang des Monats und rutschte gestern nur leicht auf 1,6359 zurück. Zugunsten des Dollar werteten die Märkte, daß die US-Zentralbank nach der Veröffentlichung der neuesten Inflationszahlen – 3,7 Prozent im ersten Quartal des Jahres nach nur 3 Prozent in den drei Monaten davor – Zinserhöhungen angekündigt hat.

Die miese Wirtschaftslage in Deutschland und Erholungstendenzen in den USA sind natürlich schon länger absehbar. Die Gurus der Devisenbörsen hatten daher schon seit längerem orakelt, daß es mit der Mark bergab und mit dem Dollar bergauf gehen würde. Sie wunderten sich eher, daß diese Tendenz lange nicht so ausgeprägt ist wie erwartet. Jedoch: Die Konjunkturerholung in den USA entsprach nicht den hochgesteckten Erwartungen, während sich das Defizit im Außenhandel rapide vergrößerte. Ein hoher Dollarkurs würde die Exportchancen der US-Industrie noch weiter zunichte machen. Zugleich zeigte die Bundesbank allen, die auf eine weitere Senkung des deutschen Zinsniveaus spekuliert hatten, die kalte Schulter. Weil im April die Geldmenge sprunghaft um 17,3 Prozent gewachsen ist bleiben die Zinsen hierzulande wohl weiter auf recht hohem Niveau. Der Exodus aus der D-Mark wird dadurch gebremst.

Weil das alles auch für Spekulanten ziemlich kompliziert ist, ziehen sich viele auf eine ganz traditionelle Anlage zurück: das gute alte Gold. Der Goldpreis erhöhte sich auf 374,25 Dollar für die Unze; vor zwei Monaten hatte er noch bei 325 Dollar gelegen. Nicola Liebert