„Ich gehe – die IG Metall bleibt“

■ IG-Metall-Chef Steinkühler trat gestern wegen umstrittener Börsengeschäfte zurück / Sein Stellvertreter Zwickel wird als Nachfolger gehandelt

Frankfurt/Main (dpa/AFP/AP) „Ich gehe – die IG Metall bleibt“, mit diesen Worten beendete Franz Steinkühler gestern seine Karriere als langjähriger IGM-Chef. Einen Tag vor der heutigen Hauptversammlung der Daimler-Benz AG in Stuttgart zog der 56jährige damit die Konsequenzen aus seiner vergangene Woche aufgeflogenen Aktienaffäre. Bis zur Einberufung eines außerordentlichen Gewerkschaftstages wird der zweite Vorsitzende und Tarifexperte Klaus Zwickel die Führung der größten Einzelgewerkschaft der Welt übernehmen.

In einer von Zwickel nach einer Vorstandssitzung der Gewerkschaft verlesenen Erklärung begründete Steinkühler seine Entscheidung mit familiärer Rücksichtnahme. Er wolle seiner Frau und seinem zwölfjährigen Sohn die „Häme“ seiner Kritiker nicht länger zumuten. Von beiden lebt er – das ist der Tribut für eine Männerkarriere – seit 1988 getrennt. Schließlich sei ihm bewußt, daß es manchmal leichter sei zu gehen als zu bleiben. Der Schritt komme „in einer für die IG Metall schwierigen und voraussichtlich noch schwieriger werdenden Zeit“, schrieb „der Franz“ weiter.

Die Verlesung des Rücktritts endete mit den Worten: „Und glaubt mir: Auch in Zukunft – wenn ich etwas von unserer IG Metall höre – wird mein Puls ein paar Schläge schneller gehen.“

Franz Steinkühler selbst ließ sich gestern auch auf der anschließenden Pressekonferenz nicht sehen. Dortselbst hielt Zwickel noch einmal eine Laudatio auf seinen Ex-Chef: „Steinkühler hat inhaltlich die deutsche und die internationale Gewerkschaftsbewegung geprägt“, meinte er. Mit ihm verliere die Gewerkschaftsbewegung einen ihrer profiliertesten Vertreter. Er habe sich bleibende Verdienste erworben. Entscheidendes Motiv für den Rücktritt sei für den IGM-Chef gewesen, daß die Gewerkschaft „aktions-, handlungs- und durchsetzungsfähig“ bleibe.

Die IG Metall will auf einem außerordentlichen Gewerkschaftskongreß einen Nachfolger für Steinkühler wählen. Aus organisatorischen Gründen wird dieser Kongreß voraussichtlich erst im Frühherbst stattfinden. Bis dahin wird Zwickel satzungsgemäß die Geschäfte des Ersten Vorsitzenden führen.

Mögliche Nachfolgekandidaten wurden offiziell natürlich nicht gehandelt, doch in Gewerkschaftskreisen kursieren längst drei Namen: Zwickel selbst, der Stuttgarter Bezirksleiter Walter Riester sowie der Bezirksleiter Küste, Torsten Teichmüller.

Steinkühlers Rücktritt ist der Schlußpunkt seiner Aktien-Affäre: er hatte Anteile der Mercedes-AG-Holding (MAH) für knapp eine Million Mark gekauft und dabei schätzungsweise 160.000 Mark verdient. Steinkühler, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG, hatte die Aktien gekauft, bevor die Verschmelzung der MAH mit Daimler-Benz öffentlich wurde. Das trug ihm den Vorwurf der Insider- Spekulation ein. Am Montag hatte Steinkühler in einem Brief an alle IG-Metall-Funktionäre zugegeben, mit Aktien der Mercedes- AG-Holding und der Fokker N.V. gehandelt zu haben. Das Geld überwies er nach eigenen Angaben inzwischen auf ein Solidaritätskonto der ostdeutschen Metaller.

In ersten Reaktionen würdigten Gewerkschaften und SPD die Leistungen Steinkühlers. Der DGB nahm die Rücktrittsentscheidung „mit großem Respekt und Bedauern“ auf. Und der amtierende SPD-Vorsitzende Johannes Rau bemerkte, Steinkühler bleibe eine „große Figur der Gewerkschaftsbewegung“.