Wenig Platz für grünes Wuchern

■ Der neue Flächennutzungsplan (zweite Folge): Ohne mehr Grün droht Berlin dicke Luft / Wenig große Grünflächen, dafür mehr grüne Straßenzüge / Rückfall in die Betonorgie der 60er Jahre befürchtet

„Die Lebensqualität der Stadt wird wesentlich von ihren Freiflächen bestimmt.“ Diese Weisheit ist zwar durchaus bis in die Hassemer- Verwaltung vorgedrungen, wie das Zitat aus dem Begleittext zum Entwurf des Flächennutzungsplans beweist, doch zahlreiche Kritiker sehen ihn im Vorentwurf nicht annähernd verwirklicht. Es drohe ein „Rückfall in die Betonorgien der 60er Jahre“, bemängeln die Umweltverbände, die sich zur Initiative für einen grünen Flächennutzungsplan zusammengeschlossen haben.

Hauptkritikpunkt am Vorentwurf ist, daß nicht etwa Grünflächen miteinander verbunden würden, sondern statt dessen Straßenzüge. Dabei geht selbst die Senatsverwaltung in ihrem Erläuterungsbericht davon aus, daß „zusammenhängende Grün- und Freiflächen“ unerläßlich sind, wenn das Klima in Berlin erträglich bleiben soll. Doch die so gerne besungene Berliner Luft ist in Gefahr, denn während die Nutzung intensiver wird, während Wohnungen, Büros und Fertigungsanlagen gebaut werden, werden die Wiesen und Parks reduziert. „Unverantwortlich“, mokiert daher die Initiative für einen grünen Flächennutzungsplan, sei „der Verzicht auf innerstädtische Grünverbindungen“.

Vorzeige-Ausnahme ist der Flughafen Tempelhof: Im FNP- Entwurf ist er bereits nicht mehr vorgesehen; der größte Teil des Areals ist grün eingezeichnet. (Siehe nebenstehenden Bericht.)

Ebenfalls als Grünfläche ist das Quartier Napoléon in Reinickendorf eingetragen, obwohl die zukünftige Nutzung des Bereichs und der dort stehenden Gebäude keineswegs geklärt ist. Echtes Lob erntet, daß der lange Zeit umstrittene Mauerpark an der Bernauer Straße im Prenzlauer Berg als Grünfläche festgeschrieben werden soll. Auch der Kreuzberger Blücherpark soll durch den FNP- Entwurf gesichert werden.

Mit einem anderen Vermerk sind die Kreuzberger jedoch gar nicht glücklich: Die Insel zwischen Lohmühlenstraße und dem Heckmannufer, gleich gegenüber dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs, ist bis auf den halbrunden Zipfel an der Spree braun eingezeichnet: Dort ist gemischte Bebauung vorgesehen. Allerdings soll der dortige Sportplatz nicht wegfallen, wie das entsprechende Symbol anzeigt.

Erhebliche Waldeinbußen müssen die Treptower hinnehmen, wenn sie sich nicht erfolgreich gegen den FNP-Vorentwurf zur Wehr setzen: Im südöstlichen Eck zwischen Teltowkanal und Britzer Zweigkanal sollen die Bäume entweder einer neuen Hafenanlage oder Wohnungsbau und Gewerbeflächen weichen, so die eingetragenen Planungsalternativen.

Kräftiger Protest steht Stadtent- und Grünflächenabwickler Hassemer auch von denen ins Haus, die sonst als Inbegriff des Braven gelten: Zahllose Kleingärtner sind sauer, und das gleich in mehreren Bezirken. Einige Kolonien sollen Straßen und Wohnungen weichen. So setzte sich die Senatsverwaltung über die Einwände aus dem Spandauer Bezirksrathaus hinweg und opferte zum Beispiel die Kolonien „Gartenbauverein“ und „Spandauer Straße“ per Federstrich neuen Häusern. Auch in Charlottenburg sind rund tausend der etwa 6.400 Parzellen bedroht, wenn der Vorentwurf nicht geändert wird. Und in Wilmersdorf droht Hassemer ein handfester Krach mit dem dortigen Baustadtrat Dietrich Maes, der die Kolonie „Johannisberg“ am U-Bahnhof Rüdesheimer Platz gesichert sehen möchte. Auch der Prenzlberger Baustadtrat Matthias Klipp kämpft gegen den Vorentwurf für den Erhalt einer Kolonie: Im Dreieck von S-Bahn in Richtung Pankow und der Bornholmer Straße ist die Fläche der Kleingärten als Mischgebiet ausgewiesen.

Hassemers Rechenkünstler verlegen sich derweil auf kleine Zahlenspielchen: Sie versichern den Bürgern, daß die „Zahl der Kleingärten erhalten“ bleibe. Zum einen werde es Ersatzflächen geben; diese allerdings liegen am Rand der Stadt, wo sie weder zur Verbesserung der Luft in der Innenstadt noch zur wohnungsnahen Erholung beitragen. Zum anderen könne „die in Einzelfällen vorgesehene Aufgabe von Kleingärten durch Parzellenteilungen ausgeglichen werden“. Von dieser Rechnung müßte sich aber wohl auch jenes oft bemühte Milchmädchen distanzieren, denn größer wird eine Grünfläche durch Halbierung wohl kaum. Christian Arns

Wird fortgesetzt