Wolken am Kinohimmel

■ Immer mehr kommunalen Kinos wird das Geld gestrichen

Deutschlands Kinomarkt befindet sich seit geraumer Zeit in einem gewaltigen Umbruch, der nicht nur vielen Erstaufführungstheatern und Kinocentern zu schaffen macht. Die seit 1989 wachsende Zahl von Multiplexen, der immense Spielfilmkonsum der Fernsehsender und die Finanznot in den Kommunen schwächen die für das Funktionieren einer breiten Filmkultur nötige Infrastruktur. Als Folge droht die in 20 Jahren gewachsene Aufgabenteilung zwischen Erstaufführungstheatern, Programmkinos und kommunalen Kinos zerstört zu werden.

Die Befürchtungen vor allem mittelständischer Kinobetreiber in bezug auf die Multiplexe haben sich inzwischen relativiert. Untersuchungen der Filmförderungsanstalt in Berlin belegen, daß die Multiplexe dem Kino auch neue Besucherschichten zugeführt haben und in einem intakten Kinoumfeld andere Spielorte nicht unbedingt gefährden. Bemerkenswert ist ebenfalls, daß die Besucherzahlen der Multiplexe nach Anfangserfolgen eher schleppend zunehmen.

Viele Programmkinos kämpfen schon seit Jahren mit veränderten Marktverhältnissen. „Mittlere Filmproduktionen“ sind rar, viele ambitionierte Filme werden inzwischen von Hollywood produziert, wie etwa „Crying Game“ von Neil Jordan. Sie starten mit hoher Kopienzahl, stehen also nicht mehr nur den Programmkinos zur Verfügung. Darüber hinaus findet sich immer seltener ein großes Publikum für gesellschaftskritische europäische Filme. Der Immobilienmarkt mit rapide steigenden Mieten für attraktive Kinostandorte in den Innenstädten tut ein übriges. So mußten allein in Hamburg 1992 drei Programmkinos schließen.

Noch ein anderes Marktsegment muß kämpfen. Die Rede ist von den kommunalen Kinos, für die nach dem Niedergang vieler Programmkinos nun auch härtere Zeiten angebrochen sind. Jüngstes Beispiel ist die Gefährdung des Kommunalen Kinos (KoKi) im Kieler Kommunikationszentrum „Pumpe“. Die Stadt Kiel will den Zuschuß von bisher 848.000 Mark für die „Pumpe“ dieses Jahr nicht erhöhen, was diese in erhebliche Finanznöte bringt. Finanzexperten schlagen die Streichung einer Planstelle vor. Kleine Ursache, große Wirkung, geht es dabei doch um den in bezug auf den Gesamtetat der „Pumpe“ von über zwei Millionen Mark lächerlichen Betrag von nur 55.000 Mark. Mit der Einsparung fielen 50 Prozent der inhaltlich-organisatorischen Arbeit für das KoKi weg, was zur Folge hätte, daß ein regelmäßiger Kinobetrieb nicht mehr aufrechtzuerhalten wäre. Nur noch Reihen und spezielle Projekte wären möglich, nicht aber die Erstaufführungen einzelner Filme, die doch dem Kino gerade das Geld auch für schwierigere Programme in die Kasse brachten.

Kommunale Kinos, Kinematheken und Filmmuseen sind halt allerorten nicht so prestige- und publicityträchtig wie Theater, städtische Kunstgalerien oder im Falle Kiels: das „Schleswig-Holstein Musikfestival“. Daß das KoKi mit seiner für diese Spezies von Kino typischen Fülle von filmhistorischen Reihen, Dokumentar- und Experimentalfilmen, aber auch vielen lokalen Erstaufführungen seit 14 Jahren Leben in die verschlafene Kinoprovinz bringt – uninteressant. Obwohl 400.000 Menschen im Einzugsgebiet leben und die Stadt eine große Universität beherbergt, gilt die Fördestadt in puncto Kino schon lange als unterversorgt. Der „UFA-Filmtheater AG“ von Volker Riech, Eigentümer von über 500 Kinos, gehören in Kiel alle Erstaufführungstheater, mit insgesamt nur rund 2.000 Plätzen. Viele wichtige neue Filme laufen verspätet an. Kein Wunder, daß es Riechs größten Konkurrenten, Hans Joachim Flebbe, schon seit geraumer Zeit an die Förde zieht. Ende 1994 eröffnet er in Kiel sein drittes „Cinemax“, das 2.400 Sitze in zehn Sälen haben wird.

Während also in Kiel wie andernorts auf dem kommerziellen Markt der Kampf zwischen Center und Multiplex, zwischen Riech und Flebbe und anderen tobt, machen zynisch anmutende Äußerungen von Kommunalpolitikern die Runde: Die neuen zehn Kinos in Flebbes Multiplex könnten ja das KoKi spielend ersetzen. Dabei ist sicher, daß auch Flebbe fast ausschließlich Blockbuster spielen wird, damit die Kasse stimmt.

Wie Ende letzten Jahres das Kommunale Kino in Hannover, scheint nun auch das KoKi Kiel ein Opfer kommunaler Sparpolitik zu werden. Bei leeren städtischen Kassen besteht die Gefahr, daß dieses Vorgehen auch in anderen Städten Schule macht. Und nicht nur Cineasten fragen sich, ob denn der konjunkturelle Niedergang unbedingt herhalten muß als jämmerliche Begründung für die Verwüstung der alternativen Kinolandschaft. Helmut Schulzeck