Streit nach Festnahmen in Südafrika

Zahlreiche Mitglieder des „Pan Africanist Congress“ sitzen noch in Haft / Polizeiminister düpierte Präsident de Klerk / Sicherheitskräfte schlugen auf eigene Faust los  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Südafrikas Chefunterhändler bei den Demokratisierungsverhandlungen, Roelf Meyer, beharrte auch gestern auf seinem: „Ich wußte von nichts.“ Und auch Staatspräsident Frederik W. de Klerk hatte am Vortag einem Besucher gesagt, er sei erst während der Razzia gegen den „Pan Africanist Congress“ (PAC) per Telefon von der landesweiten Verhaftungsaktion informiert worden. Ein Polizeisprecher erklärte, das sei kein Problem gewesen. Immerhin wußte Polizeiminister Hernus Kriel schon 48 Stunden vorher Bescheid. Im Verbund mit den Sicherheitskräften Südafrikas düpierte er damit nicht nur seinen eigenen Regierungschef und stellte die Zukunft der Demokratisierungsverhandlungen in Frage. Die Aktion provoziert auch die Frage: Wer hält in Südafrika eigentlich die Fäden in der Hand?

Während sich de Klerks Regierungskabinett dieser Frage gestern in einer Krisensitzung widmete, saßen nach Polizeiangaben immer noch 62 Funktionäre des PAC in Haft. Lawrence Makwetu, Präsident der Organisation, sprach hingegen von 72 verhafteten Funktionären: „Einer unserer Genossen, der erst am Freitag nach einem Unfall aus dem Krankenhaus entlassen wurde und im Rollstuhl sitzt, wurde ebenfalls festgenommen.“

Makwetu verlangte die Freilassung aller Gefangenen, Rückgabe von beschlagnahmten Dokumenten und Schadenersatz für Schäden und ungerechtfertigte Haft seiner Parteimitglieder. Der PAC-Chef drohte: „Sonst gehen wir nicht wieder an den Verhandlungstisch. Was das Regime gemacht hat, kommt einer Kriegserklärung gleich.“

Tatsächliche und vermeintliche Angriffe durch Apla, den bewaffneten Arm des PAC, hatten während der vergangenen Monate vor allem betroffene weiße Bauern in Aufregung versetzt. Daß Apla tatsächlich aktiv war, wurde zuerst in der letzten Woche deutlich, als Sicherheitskräfte ein Einsatzkommando nach einem Überfall auf einen Bauernhof festnahmen. Einer der Apla-Kommandeure kam bei der Schießerei ums Leben.

Die US-Botschaft in Südafrika, die sich zuvor auf die niedrigen Schätzungen des „African National Congress“ (ANC) verlassen hatte, revidierte mittlerweile ihr Urteil und geht nun davon aus, daß sich über 2.700 ausgebildete Apla- Guerilla-Kämpfer in Südafrika befinden. Trotz bewaffneter Aktionen bemühte sich das Verhandlungsteam der Regierung von de Klerk und des ANC in den vergangenen Monaten, den 1959 gegründeten PAC am Verhandlungstisch zu halten und so zum Bestandteil der politischen Lösung werden zu lassen.

Für Anfang der kommenden Woche ist die Sitzung der 26 Parteien umfassenden Demokratisierungsrunde geplant, bei der ein Termin für die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung und die Bildung einer Übergangsregierung bekanntgegeben werden sollte. ANC und PAC suspendierten nach der Razzia fürs erste weitere Gespräche. Heute abend soll eine Sondersitzung des Verhandlungsgremiums stattfinden.

Die Verhaftungswelle gegen den PAC, der sich 1959 vom ANC abspaltete, gehört in die Kategorie der immer deutlicher werden Versuche, Südafrikas Demokratisierung zu verhindern.

Südafrikas ehemaliger Armeechef Constand Viljoen, der die rechtsextreme „Afrikaaner Volksfront“ führt, verlangt, daß die Verhandlungen sofort gestoppt werden. Der Ex-General schaffte es innerhalb weniger Wochen, Streitkräfte und auch die regierende Nationale Partei zu spalten.

Ein Beobachter: „Vor die Wahl zwischen Viljoen und de Klerk gestellt, entscheiden sich viele lieber für den Ex-General.“ Selbst Generalleutnant Pierre Steyn, der Generalstabschef der südafrikanischen Streitkräfte, bekannte in einem Gespräch mit einer Zeitung: „Ich habe Sympathie für die Anliegen dieser Leute als kulturelle Bewegung.“

„Es ist Zeit, daß de Klerk Ordnung im eigenen Stall schafft“, verlangte ein Diplomat. Aber nach dem von Polizei und Sicherheitskräften beschlossenen Alleingang ist fraglich, ob der Einfluß von de Klerk ausreicht, etwa den als „Kobra“ bekannten Polizeiminister Hernus Kriel zu feuern.

Bereits in der Vergangenheit scheiterte der Staatschef immer wieder an den Sicherheitskräften, wenn er für Ordnung sorgen wollte. So amtiert auch General Joffel van der Westhuizen weiter als Chef des militärischen Geheimdienstes, obwohl er Mitte der 80er den Befehl zu einem Mord an vier ANC-Aktivisten gab und seine Organisation noch im vergangenen Jahr an massiven Destabilisierungsversuchen beteiligt war.