Hilflos gegen Saarstahl-Rost

Das Saarland plant eine staatliche Auffanggesellschaft für die Saarstahl AG / Arbeitsplätze gehen trotzdem verloren, die Konkurrenz kritisiert unfairen Wettbewerb  ■ Aus Saarbrücken Frank Thewes

Die Unruhe bei den Saarstahlarbeitern wächst. Die Gehälter kommen später aufs Konto. Immerhin wird überhaupt noch gezahlt. Doch die Löhne und Gehälter für die 7.200 Beschäftigten sind bislang nur für die nächsten drei Monate garantiert. Solange zahlt nämlich das Arbeitsamt Konkursausfallgeld.

Wie es dann weitergehen soll, ist unklar. Im Gespräch ist eine überwiegend vom Land finanzierte Auffanggesellschaft für den ehemaligen Stahlriesen. Der Vorstand der Saarstahl AG hatte vergangene Woche überraschend Konkurs beantragt, nachdem das Unternehmen monatliche Verluste von bis zu 40 Millionen Mark eingefahren hatte. Die französische Mutterfirma Usinor Sacilor war zu einer Kapitalaufstockung für den Krisenbetrieb nicht mehr bereit.

Dabei schienen die Dauerprobleme des Traditionsunternehmens nach schmerzlichen Einschnitten in den achtziger Jahren gelöst. Vier Jahre lang, seit seinem Amtsantritt 1985, hatte Regierungschef Lafontaine an seinem wirtschaftlichen Prestigeobjekt Saarstahl gearbeitet: Das Völklinger Unternehmen mußte abspecken und erhielt mit der Dillinger Hütte der Usinor-Sacilor-Gruppe einen finanziell gesunden Partner. Mit einer „Stahlstiftung“, die sich aus unterschiedlichen öffentlichen und industriellen Geldquellen speiste, gelang es, Saarstahl wieder ins Geschäft zu bringen. Doch trotz angeblich modernster Technik verpaßte das Unternehmen den Durchbruch am Markt. Die Landesregierung, mit 27,5 Prozent beteiligt, will es mit einem neuen Kraftakt wieder flottmachen. Die anvisierte Auffanggesellschaft würde ungefähr so aussehen: Das Land übernimmt zunächst 100 Prozent der Anteile eines drastisch verkleinerten Saarstahlbetriebes. Nach einer Sanierung soll die Gesellschaft privatisiert werden. Bis dahin aber müßte das hochverschuldete Saarland Kapital in das Restunternehmen stecken. Andere Geldgeber sind nicht in Sicht: Die deutsche Stahlindustrie hat kein Interesse an einer Beteiligung – im Gegenteil: sie wettert gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen für Saarstahl.

Auch die Bundesregierung hat alle Hilfen abgelehnt, die der Fortführung der Produktion dienen. Allerdings, so Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt, könne der Bund bei der sozialen Abfederung der Stahlarbeiter helfen. Bei der Finanzierung von Sozialplänen fallen aber andere „Spender“ weg: Noch-Mehrheitseigner Usinor-Sacilor dürfte sich als französische Staatsfirma kaum mit den Steuergeldern seiner Landsleute an Zahlungen für saarländische Stahlarbeiter beteiligen.

Das Saarland würde mit einem teuren Landesprogramm für entlassene Stahlarbeiter einen Präzedenzfall schaffen und damit andere Bundesländer gegen sich aufbringen. Ohne deren Finanzhilfe könnte aber könnte es gleich selbst Konkurs anmelden.

Ministerpräsident Lafontaine sucht ein Konzept, das auch von der Opposition mitgetragen wird. Erste Gespräche mit den Landesvorsitzenden von CDU und FDP, Klaus Töpfer und Harald Cronauer, haben noch nicht zu konkreten Ergebnissen geführt. Im Saarland, das eigentlich ab 1994 mit Sonderhilfen des Bundes einen Teil seiner Rekordschulden abbauen wollte, fehlt es nicht an Warnungen vor einem „Subventionsfaß ohne Boden“. Das Land soll sich allenfalls kurzfristig als Stahlunternehmer betätigen. FDP-Chef Cronauer, im Hauptberuf Justitiar bei der Dillinger Hütte, kann sich auch vorstellen, daß ein sanierter Saarstahl-Rest wieder von Usinor- Sacilor übernommen wird. Eines scheint jedoch sicher: Falls die Saarstahl-Rettung überhaupt gelingt, wird gerade noch ein Drittel der jetzt 7.200 Arbeitsplätze übrig bleiben. Hinzu käme der Verlust von schätzungsweise weiteren 10.000 Arbeitsplätzen bei den Zulieferern in der Region: da Ersatzarbeitsplätze fehlen, drohen dem Saarland (Arbeitslosenquote derzeit bei knapp elf Prozent) Verhältnisse wie in den neuen Bundesländern.