Sanssouci: Vorschlag
■ Die "Group Motion Company" aus Philadelphia im Tacheles
„Falterfrau“ Foto: David Baltzer/Sequenz
VorschlagDie „Group Motion Company“ aus Philadelphia im Tacheles
Auf dem Weg zum Tacheles wehen mir die Musikklänge schon von weitem entgegen. Die „Group Motion Company“ aus Philadelphia beginnt ihr Programm mit einer kurzen Straßenperformance, und kaum angekommen, ahnt man schon: Es wird ein guter Abend. „Inroads“ heißt der erste Tanz, ein Stück über Menschen in der Stadt. Eine Stimme aus dem Off wirft Reizwörter zum urbanen Dasein in den Raum, und eine gehetzte Masse stampft im schneller werdenden Rhythmus auf den Bühnenboden. Einzelne stürzen, krümmen sich zusammen und gliedern sich wieder ein. Daß sich der Streß auflöst und sich aus der anonymen Masse kontaktfähige Individuen entwickeln, ist eher banal: Spannend ist, wie es geschieht. Choreograph Manfred Fischbeck findet zu einer vielschichtigen Bildlichkeit, die sechs Tänzerinnen und zwei Tänzer können wirklich tanzen, und es ist eine Lust, ihnen dabei zuzusehen.
Daß ein Mann und eine Frau nicht unbedingt Astor Piazzola hören sollten, wenn sie gemeinsam auf dem Sofa sitzen, davon erzählt das Stück „Chaise Lung“. Denn was die Musik da an Leidenschaften rüberschluchzt, ist für zwei so kleine Menschen einfach zuviel. Mit exhibitionistischen Anwandlungen und erotischen Verkrampfungen rutschen die zwei von einer Entgleisung in die nächste, und als die Musik sie schließlich vom Sofa aufs Tanzparkett treibt, geht es nur noch dem Untergang entgegen. Zu den letzten Klängen müssen sie im verlöschenden Licht auf dem Bühnenboden verenden. That's Life.
Nach der Pause geht es archaisch weiter. „It's time to transform: the animals are calling“, von Laine Fischbeck getanzt und choreographiert, ist zweifellos das eindringlichste Stück des Abends. Das Gesicht und den nackten Körper mit Lehmfarbe bemalt, treibt sie sich mit minimalen Bewegungen, rhythmischen Zuckungen, die schließlich in autonomes Zittern übergehen, in einen ekstatischen Zustand. Was zunächst platt und gewollt exotisch erschien, entfaltet eine bestürzende Kraft, und so erliegt man schließlich der Faszination des Fremden. Sieben Stücke zeigt die „Group Motion Company“, und ohne daß man es bemerkt hat, sind zweieinhalb Stunden vergangen. Michaela Schlagenwerth
Täglich bis einschließlich 31.5. um 21 Uhr im Tacheles
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