Große Karriere einer Silber-Zieh-Maschine

■ Das Focke-Museum holte sich aus einer Silberfabrik eine alte schöne Maschine für seine geplante Ausstellung „Bremen wird hell“

Sie hat fast solche Tigerfüße, mit Zier-Rillen und abgespreizt, wie die bewußten Badewannen aus der Jahrhundertwenden- Zeit. Schwere, aber haargenau passende Zahnräder greifen naht- und lautlos ineinander. Sie riecht nach ihrem unverwechselbaren Parfum aus Öl und Metallspänen. Gestern früh war Schluß mit Erdenschwere. Da kamen die Männer vom Kranwagen und legten Hand an alle Teile. Denn die Ziehpresse, die länger als Menschenalter, länger als 100 Jahre bei der Silberwaren-Firma Koch & Bergfeld in der Neustadt in Lohn und Brot stand, kommt auf ihre alten Tage jetzt ins Focke-Museum. An den Ketten und Gurten des gewaltigen Krans machte sie sich dann auch ganz leicht. Dabei wiegt sie 1,88 Tonnen — das sind 1,8 Elefanten! sagt Kollge S. unweigerlich dazu. Ins Dach der Halle haben sie ein Loch zum Himmel und zum Kran geschlagen, anders wären die Männer nicht an sie herangekommen. Und dann schwebt sie hoch, so sanft und langsam, wie ein Ballon aufsteigt, und macht mit ihrem ganzen Gewicht ein filigranes Bild am Himmel. Ein großer Schwenk über dem Dach: Kranwagenfahrer sind manchmal Künstler. Kurz vor der Landung spreizt sie, man sieht es so deutlich von unten, die Beine ab — wie eine Katze, die nicht ins Wasser will. „Wollen wir sie 'n Moment hängen lassen? „ fragt der Kranfahrer die Fotografen. Dann greifen die Männer leicht, aber entschieden nach ihren Beinen und Füßen, dirigieren sie auf die Ladefläche. Im Gußeisen oben ist ihr Name eingeprägt: No 11/2. Als sie aufsetzt, wird sie wie eher eine Elefantin behandelt: mit vier starken Gurten zurren die Männer die Beine fest.

Die Maschine ist schön. Und das Focke-Museum will sie für seine große Ausstellung „Bremen wird hell. 100 Jahre Leben und Arbeiten mit Elektrizität“ ins Museum holen. Denn an ihr kann man richtig den Übergang sehen zwischen den Zeiten der Dampfmaschinen und der Elektromotoren. Früher führte der Tansmissions-Riemen hier über das große Rad zur Dampfmaschine, an der über eine große Welle unter der Decke alle Maschinen der Silberarbeiter mit Power versorgte. Dieses hübsche Exemplar war eine Ziehpresse. Mit der Kraft der Dampfmaschine, übetragen mit dem Leder-Riemen, hob sich eine Art schwerer Stempel, ein Blech aus Neusilber („Alpaka“) wurde druntergeschoben, und dann preßte und zog beim Hineindrücken das Werkzeug die Form ins Blech: große Löffelmulden in diesem Fall. Später wurden dann Griffe angelötet und das Ganze mit Silber bezogen.

Neben dem Kranwagen feixen die Arbeiter: „Mönsch, alte Maschinen haben wir noch genug! „ Heiko Dettmannn, Werkzeugmacher und seit 38 Jahren bei Koch & Bergfeld, kennt die Dampfmaschine noch aus eigener Arbeit. Als Villeroy & Boch dann die Firma kaufte, 1989, wurde saniert. Jede Maschine wurde ans 20. Jahrhundert angeschlossen und kriegte endlich einen eigenen Elektromotor. „Früher war das so: Wenn sie mal einen dicken Span abnehmen mußten, dann riß garantiert der Riemen“, sagt Dettmann, „die Dampfmachine hatte einfach die Kraft nicht.“ Ohne Alpaka- Kern, also in ganz echt Silber innen und außen, wird heute auch produziert, „aber das hat gewaltig nachgelassen“.

„Das ist eine der ältesten Maschinen, die in Bremen in Betrieb waren“, meint Heinz-Gerd Hofschen, Projektleiter von 'Bremen wird hell', „leider sind die alten Inventarbücher verschollen, wir vermuten, sie stammmt aus den Jahren um 1880.“ Dr. Löhr, stellvertretender Museums-Leiter, ist auch vor Ort. „Das wird ein wichtiger Blickfang für unser Museum, auch wenn die Sonderausstellung vorbei ist“, sagt er, „diese Maschinen waren ja die Produktions-Voraussetzung für das ganze Silber, das wir ausstellen.“ Sein Museum hat die Maschine geschenkt bekommen und muß nur den Transport bezahlen. Die Maschine wartet, wie sie ist: schwer, leicht, mit ihrem Parfum.

Susanne Paas