1000 x berührt, 1000 x nix passiert

■ Das Stadtfest kam nur schwer in Gang, erst Samtagnacht herrschte großes Gedränge

1000 x berührt, 1000 x nix passiert

Das Stadtfest kam nur schwer in Gang, erst Samstag nacht herrschte großes Gedränge

Die fünf jungen Büroangestellten aus Achim nuckelten zufrieden an ihren Bierdosen, die sie sich von zu Hause mitgebracht haben. „Wer kann das schon zahlen, 4.50 Mark für 0,3 Liter!“ Die Preise schienen ansonsten der Stimmung der Festenden am Samstag abend keinen Abbruch zu tun: Schulter an Schulter sang man beseligt „1000 mal berührt, 1000 mal nix passiert“ oder stimmte ein in alte Abba-Songs.

Noch am Samstag nachmittag waren nur Vereinzelte über den Marktplatz geschlendert. Die Bierzapfer lehnten gelangweilt am Tresen, die Sonnenbrillenverkäufer schauten trübe in den verhangenen Himmel, und auch die ServiererInnen in den GourmetZelten traten von einem Bein aufs andere. Kein Vergleich mit dem Gedränge Samstag nacht! Doch keiner murrte in all dem Geschubse. Im Gegenteil: Die Menschen schienen das größte Genudel zu suchen, schlängelten sich soweit durch, bis sie irgendwann steckenblieben.

Die Männer pißten daneben, an Schütting und Dom

Trotz der Preise wurden rund 150.000 Liter Bier getrunken, so schätzte jedenfalls einer, der mit Sackkarre und jeweils zwei Fässern drauf durch die Menge wuselte und die Becks-Stände versorgte. Für die letztendliche Entsorgung des Biers hatte der Veranstalter KPS rund 140 Dixi-Chemie-Toiletten gemietet. Strategisch klug waren sie nicht nur entlang der großen Plätze, sondern auch besonders in dunklen Durchgängen aufgestellt worden waren, etwa den Verbindungswegen zwischen Obernstraße und Langenstraße. Doch viele mißtrauten den unbelichteten wackeligen Häuschen. Die Männer pißten daneben, an Schütting-und Dommauern, die Frauen nutzten das Palazzo Pisso am Domplatz.

Trotz der Toilettenzahl — die 100 freiwilligen Rot-Kreuz-HelferInnen wurden immer wieder nach dem nächsten Clo gefragt. Sie hatten auch schon beim Werder-Spiel Dienst getan. Ein alter Schwarz- Weiß-Fernseher half über den toten Punkt. Größere Vorkommnisse hatte es am Samstag bis Mitternacht nicht gegeben, „eben den üblichen Kleinkram“: Zum Beispiel acht Alkoholvergiftete, die ins Krankenhaus gefahren werden mußten.

„Aber um ein, zwei Uhr kann sich die Stimmung noch schlagartig ändern“, so die Erfahrung der Einsatzleiter. Dann gibt es in den Cliquen Ärger: Streitereien um Frauen zum Beispiel. Platzwunden, aber auch Kreislaufzusammenbrüche sind die Folge.

Die Rot-KreuzlerInnen bringen die Leute jedoch nicht nur mit Pflaster und Medikamenten wieder auf die Beine. Ein Gespräch in der Intimität eines Krankenwagens kann Wunder wirken: Wenn sich die Leute Luft machen können, erzählen, daß die Beziehung grad kaputt geht, so berichtet ein Einsatzleiter, dann stabilisiert sich der Kreislauf oft schon von alleine. cis