Berlin-Brandenburger Luftschlösser

■ Der neue Flächennutzungsplan (3. Folge): Berlin versucht am Stadtrand Schneisen in den Wildwuchs von Eigenheimen, Einkaufszentren und Gewerbegebieten zu schlagen - oft ohne Absprache mit Brandenburg

Berlin. Im Grunde genommen ist die „gemeinsame“ Flächennutzungsplanung von Berlin und dem Brandenburger Umland eine einseitige Sache: Zwar existieren „Eckwerte“ zu großen Einzelbauvorhaben für den „engeren Verflechtungsraum“ und „Leitbilder“ für eine zukünftige Landesentwicklung. Indessen, Standortabsprachen wie beispielsweise beim geplanten Recyclingzentrum in Pankow, die Schaffung zweier Naturräume in Teltow und östlich von Blankenburg oder die Förderung der „dezentralen Konzentration“ von Städten auf dem „Dritten Ring“ (Neuruppin, Brandenburg, Luckenwalde oder Cottbus) bleiben FNP-Papiertiger im Dschungel kommunaler Einzelinteressen.

„Groteskerweise hat Berlin den Flächennutzungsplan ohne Brandenburg gemacht“, erklärte Hartwig Berger, umweltpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Grüne, gegenüber der taz. Die wesentlichen Fragen des Konzepts: der Verkehr, die Müllentsorgung und Neugestaltung von Freiräumen, die Standorte für Wohnungsbauten, Gewerbe und den neuen internationalen Flughafen sowie die Konzeption eines Eisenbahn- und Wasserstraßennetzes könnten darum vom FNP nicht „ohne Konflikte“ geklärt werden.

Der „Blick über den Tellerrand“, so Heinz Weyl, Regionalplaner aus Hannover, habe noch gar nicht stattgefunden: Es fehlt eine gemeinsame Landes- und Regionalplanung für ein räumliches Gerüst der beiden Länder. Von einem „Zweckverband Groß-Berlin“ etwa, der zwischen 1912 und 1920 acht Stadt- und über sechzig Landgemeinden zur Erstellung eines Flächennutzungsplanes vereinigte, sind die Berliner und Brandenburger ebensoweit entfernt wie von Landesplanungsverbänden (1929–1936 in Brandenburg) oder einem Raumordnungsverbund.

Dies- und jenseits der Landesgrenze vollziehen sich raumgreifende Entwicklungen. In Nachbarschaft zu den auf Berliner Seite anvisierten „grünen Kanten“ und abgezirkelten Wohn- und Gewerbestandorten wachsen großflächig Eigenheimteppiche, Einkaufszentren und Gewerbestandorte aus dem Boden. Trotz erheblicher Bedenken in bezug auf die Wachstumserwartungen der Region sind bereits über 8.000 Hektar Gewerbefläche genehmigt worden. Im Raum Großbeeren und Ludwigsfelde beispielsweise sind umfangreiche Bauflächen „ohne erkennbare räumliche Einordnung zum entsprechenden Wohngebiet vorgesehen“, bemängelte Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer – zu spät. Die Entwicklung des Teltower Landschaftsparks würde ein solches Siedlungsgewirr unmöglich machen.

Dissenz zwischen Berlin und dem Umland gibt es auch wegen der geplanten Entwicklungsgebiete in Hoppegarten und drei Standorten mit insgesamt mehr als 100.000 Quadratmeter Verkaufsfläche für Shopping-Centers in Dallgow, Großmachnow und Werder, bilden diese doch eine direkte Konkurrenz zu den wirtschaftlichen Planungen der Berliner Bezirke.

Jenseits der Landesgrenze haben die Brandenburger Gemeinden mit den Berliner Interessen zu kämpfen: „Die geplante Teltow- Autobahn ist ein Dauerbrenner“, sagte Neuköllns Baustadtrat Bodo Manegold. „Daß die Trasse unter dem Flughafen Schönefeld verlegt werden könnte, paßt den angrenzenden Gemeinden natürlich überhaupt nicht.“ Ebenso streiten etwa der Bezirk Hellersdorf und die Gemeinde Hönow um Gebietserweiterungen, die im Flächennutzungsplan ungeklärt sind. Die größten Sorgen allerdings bereitet Brandenburg die Berliner Siedlungspolitik im Nordosten. „In Pankow und Weißensee sind die ungestümen Wachstumsplanungen und der Griff nach Ackerflächen durch nichts gerechtfertigt“, betonte Florian Engels, Pressesprecher im Potsdamer Umweltministerium. Die Annahme, daß dort 150.000 neue Wohnungen gebaut werden müßten, beruhten auf keinen seriösen Analysen. Unterstützung erhält Engels vom Bernauer Planungsamt, wo bemängelt wird, daß weder die Wohnungsbaupotentiale noch das Arbeitsplatz- und Verkehrskonzept zwischen den Verwaltungen der Region genügend abgestimmt werden konnten.

„Der Flächennutzungsplan wurde in Berlin mit dem Rücken zur Umgebung gemacht“, so Hartwig Berger. Es könnten darüber hinaus von Brandenburger Bürgern keine wirksamen Einwände oder Widersprüche formuliert werden. Zudem, meinte Berger, verhalte sich Berlin widersprüchlich: Während man vom Umland die Respektierung des Grüngürtels verlange, fordere Berlin gleichzeitig die Freigabe zur Bebauung der nordöstlichen Rieselfelder. Zudem seien die Annahmen über die Zuwächse von über einer Million Menschen im Umland und im „Dritten Ring“ falsch. „Berlin baut sich ein regionales Luftschloß“. Es komme nun darauf an, die Planungsziffern zu revidieren. Außerdem sollten die Gewerbeflächenausweisungen halbiert werden. Berger forderte die Beteiligung der Brandenburger Bürger an der Flächennutzungsplan-Diskussion. Rolf Lautenschläger