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■ Das rechtslastige Springer-Blatt kommt ab heute aus Berlin

Berlin (dpa/taz) – Berlin mit seinen derzeit acht Tageszeitungen bekommt am Dienstag nach Pfingsten Zuwachs: Die Welt, das subventionierte Flaggschiff des Axel Springer Verlages, zieht von der alten in die neue Hauptstadt. Den meisten deutschen Tageszeitungen würde es nicht im Traum einfallen, ihren Standort zu wechseln. Ihr Kapital ist die Nähe zu ihren Lesern. Selbst überregionale Blätter wie die Süddeutsche oder die FAZ sind ohne ihre Verankerung in ihren jeweiligen Großräumen nicht denkbar. So gesehen ist Die Welt die einzige konsequent überregionale Zeitung Deutschlands: Für zehn bis 15 Millionen Mark wechselt sie wieder mal ihren Standort.

Die Welt wurde 1946 auf Initiative der britischen Militärregierung „als überparteiliche Zeitung für die gesamte Britische Zone“ in Hamburg gegründet. 1953 kaufte der Verleger Axel Springer die Mehrheit der Anteile, heute ist die Zeitung vollständig im Verlagsbesitz. 1975 zog die Redaktion von Hamburg nach Bonn an den Regierungssitz. Der Verlust des regionalen Anzeigengeschäfts wurde billigend in Kauf genommen. Auch der Auflage bekam der Wechsel nicht gut: Sie sank von damals 500.000 auf heute 213.000 Exemplare.

Das Verlagsgebäude der neuen Welt mit Berliner Lokalteil liegt im alten Zeitungsviertel, hier ist der Verlag schon mit der Abonnentenzeitung Berliner Morgenpost vertreten. Die direkte regionale Konkurrenz – früher „konzernunabhängig“ – kommt seit August 1992 aus dem Hause Holtzbrinck, das den liberal-bürgerlichen Tagesspiegel übernahm. Das Hamburger Verlagshaus Gruner+Jahr hatte schon 1991 den (Ost-)Berliner Verlag geschluckt, der die Berliner Zeitung herausgibt. Überregionale Blätter haben es bislang im „metro-popligen“ Berlin eher schwer. Die Stadt hat seit dem Mauerfall einen der härtesten Zeitungsmärkte der Welt. In den letzten zwei Jahren haben 200.000 Zeitungskäufer den Kiosken den Rücken gekehrt. Ein halbes Dutzend Titel hat die Zusammenführung der beiden Teilmärkte in Ost und West nicht überlebt. Welt-Verlagsgeschäftsführer Dietrich Rusche sieht für sein Blatt dennoch Chancen, weil es für die bürgerlich-konservative Zielgruppe seit Jahrzehnten nur den Tagesspiegel gibt.

Das Defizit der Welt, die seit Jahren vom eigenen Hause subventioniert wird, soll nach Verlagsangaben in diesem Jahr vermutlich noch höher ausfallen. Es wird derzeit auf jährlich rund 40 Millionen DM geschätzt. Das Anzeigengeschäft laufe aus konjunkturellen Gründen „unter aller Kanone“, sagt Rusche. „Es ist gar nicht unser Ziel, mit der Welt Gewinne zu machen; das wäre illusorisch.“ Hannes Bahrmann