UN-Schutzzonen unter Beschuß

■ Schwerster Angriff auf Sarajevo seit Kriegsbeginn / Goražde kurz vor dem Fall / Tudjman weist Kritik an kroatischer Bosnien-Politik zurück / NATO-Oberbefehlshaber warnt vor Unentschlossenheit

Sarajevo/Zagreb/Belgrad (AFP/dpa/taz) -In Bosnien ist es am Wochenende erneut zu heftigen Kämpfen gekommen. Die Angriffe serbischer Truppen konzentrierten sich auf die Städte Sarajevo und Goražde. Nach Angaben der Rettungsdienste wurden bei dem bisher schwersten Angriff auf die seit 14 Monten belagerte bosnischen Hauptstadt mindestens 25 Menschen getötet. In Dörfern bei Goražde, in denen sich runde 70.000 Flüchtlinge aufhalten, richteten serbische Truppen nach bosnischen Angaben ein Blutbad unter der Zivilbevölkerung an.

Sarajevo und Goražde sind zwei der sechs bosnischen Städte, die Anfang Mai vom UN-Sicherheitsrat zu sogenannten Safe Havens, zu UN-Schutzzonen erklärt worden waren. Trotzdem wurde kein Versuch der UN-Schutztruppen für das ehemalige Jugoslawien (UNPROFOR) gemeldet, die angegriffenen Städte zu verteidigen. Ein UNPROFOR-Sprecher sagte dazu, unter dem gegenwärtigen Mandat könnten die Blauhelme nur mit Zustimmung aller Konfliktparteien nach Goražde fahren. Immerhin brachen am Montag erneut fünf UN-Militärbeobachter von Sarajevo aus nach Goražde auf.

Heftige Gefechte zwischen muslimischen und kroatischen Truppen gab es gestern nach Angaben eines UNPROFOR-Sprechers in der südbosnischen Stadt Mostar sowie in Kiseljak. Das Oberkommando der bosnischen KroatInnen warnte davor, daß sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den ursprünglich verbündeten KroatInnen und MuslimanInnen auch auf die bosnische Hauptstadt Sarajevo ausweiten könnten. Gekämpft wurde auch in der Republik Kroatien: Ein UNPROFOR-Sprecher teilte mit, kroatische Einheiten hätten Stellungen der serbischen Truppen bei den Orten Lički Osik und Medak beschossen. Dabei sei ein französischer UN-Soldat verletzt worden.

Der kroatische Präsident Franjo Tudjman wies auf einer Feierstunde des Parlamentes zum kroatischen Nationalfeiertag in der Hauptstadt Zagreb jede Kritik an der kroatischen Politik gegenüber Bosnien zurück und kritisierte zugleich die Tatenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft. Er sagte, Kroatien werde weiterhin seine „strategischen Interessen in Bosnien“ schützen. Kroatische Oppositionspolitiker hatten davor gewarnt, durch eine Aufgabe der territorialen Integrität Bosniens würde auch die Einheit Kroatiens in Frage gestellt.

Der Oberbefehlshaber der NATO und der US-Streitkräfte in Europa, General John M. Shalikashvili, hat die internationale Staatengemeinschaft davor gewarnt, sich im Blick auf den Krieg in Bosnien-Herzegowina zu unentschlossen zu verhalten. In Heidelberg, wo Shalikashvili den Ehrendoktor der Rechtswissenschaften erhielt, sagte er am Sonntag nachmittag, Führungsstärke sei nicht nur im kalten Krieg für das atlantische Bündnis sehr wichtig gewesen.

Sie bleibe solange bedeutend, wie kollektive Sicherheit angestrebt werde. Militärische Stärke könne unter bestimmten Umständen eine „Trumpfkarte“ sein, die alle anderen aussteche, mahnte Shalikashvili. Sie sei zum Schutz der Freiheit die einzige Reaktion auf einen Krieg „im Dienst des Bösen“, ob es sich um den Ehrgeiz eines Diktators handele, oder um ethnisch oder religiös begründete Auseinandersetzungen. Das „fortdauernde Gemetzel“ in Bosnien- Herzegowina lasse die Frage unbeantwortet, „ob wir diese Lektion wirklich verstanden“ haben, meinte der General.