120 Hinweise und der erste Haftbefehl

■ Jugendlicher wegen fünffachen Mordes, versuchten Mordes und Brandstiftung in Untersuchungshaft / 15jähriger Türke schwebt noch in Lebensgefahr

Im Zusammenhang mit dem Mordanschlag von Solingen ist gestern ein erster Haftbefehl gegen einen Jugendlichen ergangen. Wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte, hat der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof Haftbefehl wegen fünffachen Mordes, versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung erlassen. Der Jugendliche sei in Untersuchungshaft genommen worden.

In Polizeikreisen hieß es, der mutmaßliche Täter sei ein 15jähriger aus dem Raum Solingen. Er sei bereits am Sonntag festgenommen worden. Ein anderer junger Mann war nach der Festnahme am Sonntag nachmittag wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Die Täter, wahrscheinlich aus der rechtsextremistischen Szene, hatten am Samstag kurz vor 02.00 Uhr Feuer in dem zweistöckigen Haus in der Solinger Untere Werner Straße 81 gelegt, das von einer türkischen Großfamilie bewohnt wurde. Dabei kamen drei Mädchen im Alter von 4, 9 und 13 Jahren sowie zwei 18- bzw. 27jährige Frauen ums Leben. Vier weitere Personen wurden schwer verletzt. Ein 15 Jahre alter Junge schwebte mit einer Hirnverletzung gestern nachmittag noch immer in Lebensgefahr.

Die Bundesregierung hat eine Belohnung von 100.000 Mark für die Ergreifung der Täter ausgesetzt. Insgesamt sind zwei Tage nach dem Mordanschlag in Solingen bei der Polizei rund 120 Hinweise auf mögliche Täter eingegangen. Diese Zahl nannte gestern der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Rolf Hannich.

„Aus ermittlungstaktischen Gründen“ sah die Bundesanwaltschaft über die Festnahme und die Zahl der Hinweise hinaus keinen Erklärungsbedarf.

Zeugenaussagen, wonach am Tatort vier Skinheads gesehen worden sein sollen, wollte Hannich so nicht bestätigen. Die Beobachtungen müßten erst noch „geklärt“ werden. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft erklärte weiter, neben den drei bisher bekannten Verletzten, einem sechs Monate alten Kind, einem dreijährigen Mädchen und einem 15 Jahre alten Jungen in Lebensgefahr, gebe es möglicherweise noch eine vierte Verletzte. Eine Person habe sich wegen eines Schocks vielleicht zunächst nicht behandeln lassen.

Wie die Polizei in Wuppertal mitteilte, kam es am Sonntag nacht zu einem Brandschlag auf ein auch von Türken bewohntes Haus im Stadtteil Elberfeld. Ein Unbekannter habe in einem offenstehenden Keller Unrat angezündet und sei verschwunden. Ein Wasserrohr bei der Brandstelle sei dann gebrochen, das Wasser habe den Brand gelöscht. Die Polizei geht davon aus, daß es sich um einen türkischen Täter handelt. (AP/AFP)