■ Mit der Staatsverschuldung auf du und du
: Staat frißt Sparstrumpf

Berlin/Bonn (taz/dpa) — Die privaten Haushalte steigerten 1992 ihr Geldvermögen um gut 250 Milliarden auf über 3,5 Billionen Mark, so die neueste Berechnung des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR). Davon lagen 3,3 Billionen Mark oder 94 Prozent in Westdeutschland.

Der BVR warnte nun, daß die 250 Milliarden Mark Vermögenszuwachs mittlerweile zum allergrößten Teil von der Neuverschuldung des Staates aufgefressen werden. Der Staat bediente sich auf den Kapitalmärkten im Jahre 1992 in der Tat mit 211 Milliarden Mark — diese Zahl umfaßt auch die sogenannten Sondervermögen, wie Bahn, Post und Fonds deutsche Einheit. Das bedeute, so schloß der BVR-Präsident Wolfgang Grüger, daß 84 Prozent der Vermögensneubildung dem Staat zufließe. Für die Investitionen der privaten Wirtschaft, die ebenfalls auf diese Ersparnisse zugreifen muß, bliebe also nicht mehr viel Kapital übrig.

Grüger interpretierte die Zahlen allerdings ein wenig freizügig. Vor allem setzte er die Bruttokreditaufnahme des Staates mit der Nettokreditaufnahme gleich. Die Bundesschuldenverwaltung rechnet vor, daß der Bund netto, also unter Abzug der geleisteten Tilgung, insgesamt nur Kredite in Höhe von 95,3 Milliarden Mark neu aufnahm. Das sind noch 38 Prozent der Geldsumme, die die privaten Haushalte 1992 zusätzlich ansparten.

Dennoch ist absehbar, daß der Staat in einen Verdrängungswettbewerb mit privaten Investoren um das vorhandene Kapital tritt. Der Staat versucht, private Geldanleger mit attraktiven Zinsen für Staatsschuldtitel anzulocken. Deshalb stiegen die Renditen für Bundesanleihen in den vergangen zwei Monaten wieder auf fast sieben Prozent. Für die Wirtschaft werden Kredite also ebenfalls teurer, und daher wird weniger investiert. Der Konjunkturaufschwung wird so noch auf sich warten lassen. lieb