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Die Inflation zerstört den Rubel-Raum

Gegenüber dem Dollar stürzt der Rubel von Rekordtief zu Rekordtief / Selbst die russische Regierung und der IWF unterstützen inzwischen die neu entstehenden Währungen in der GUS  ■ Von Donata Riedel

Berlin (taz) – Der Kurs des Dollar steigt und steigt – zumindest in Rußland. Gestern kostete die US- Devise an Moskaus Devisenbörse 1.050 Rubel, nachdem sie am Montag bereits die psychologisch wichtige 1.000-Rubel-Grenze durchbrochen hatte. Seit Montag ist der Devisenhandel von zwei auf vier Tage pro Woche ausgedehnt worden. Die russische Regierung sowie Notenbank und Devisenbörse hoffen, daß starke Kursbewegungen, die oft zufällig seien, so geglättet werden können.

Starke Bewegung hat es, seit der Rubel in Moskau frei gehandelt wird, allerdings nur in eine Richtung gegeben: nach unten. Als vor elf Monaten die Konvertierbarkeit eingeführt wurde, notierte der Rubel noch mit 134,8 gegenüber dem Dollar. „Zufällig“ ist der Rubel- Absturz nicht. Moskaus Devisenhändler begründen ihr schwindendes Vertrauen damit, daß die Regierung kein glaubwürdiges Wirtschaftsprogramm zustande gebracht hat, die Zentralbank Währungspolitik mit der Notenpresse betreibt und zu befürchten steht, daß die Inflation (1992: 2.500 Prozent) weiter angeheizt wird.

Einen neuen Inflationsschub wird zusätzlich ein Urteil des russischen Verfassungsgerichts von Montag auslösen, nach dem die Bürger künftig einen Inflationsausgleich auf ihre Bankeinlagen bekommen müssen. Entsprechende Gesetze hatte der Volksdeputiertenkongreß zwar verabschiedet, die Regierung jedoch weigerte sich, sie umzusetzen, woraufhin ein Abgeordneter vor dem Verfassungsgericht klagte. Eine Billion Rubel, so Experten des Verfassungsgerichts, müsse die Regierung als Entschädigung für die Geldentwertung sofort auf die Sparkonten überweisen. Außerdem müsse künftig nach einem Index automatisch ein Inflationsausgleich gewährt werden. Die Regierung versuchte am Montag, durch eigene Rechnungen den Ausgleichsbetrag auf die Hälfte zu drücken. Denn bereits Ende März schätzte Finanzminister Boris Fjodorow das Defizit der Staatskasse für 1993 auf 17 Billionen Rubel. Das entspräche 63 Prozent des prognostizierten Bruttosozialprodukts von 27 Billionen Rubel.

Als wichtigster Inflationsbeschleuniger gilt die Kredit-Vergabepolitik der russischen Zentralbank. Von den 6,3 Billionen Rubel, die 1992 von der Zentralbank verteilt wurden, ging rund ein Drittel an die Regierung, ein weiteres an die kommerziellen Banken und das dritte an die Zentralbanken der anderen Ex-Sowjetrepubliken.

Angesichts der massiven Wirtschafts-und Währungsprobleme im eigenen Land versucht Rußland offenbar, zumindest die Kredite an andere Zentralbanken zurückzufahren. Seit kurzem bestärkt Präsident Boris Jelzin jedenfalls die Regierungen der anderen Republiken, eigene Währungen einzuführen. Selbst der Internationale Währungsfonds (IWF), der ursprünglich auf dem Erhalt der Rubel-Zone bestanden hatte, unterstützt jetzt aktiv die neu entstehenden Währungen. So bekam Kirgistan Mitte Mai sofort 62 Millionen Dollar IWF-Kredite zur Stabilisierung des Som. Und daß Lettland am 28. Juni ganz zur eigenen Währung übergeht, begrüßte der IWF- Direktor für die frühere Sowjetunion, John Odling-Smee, am Wochenende ausdrücklich.

Um wenigstens wirtschaftlich die Verantwortung für die einstigen Sowjet-Republiken loszuwerden, geht Rußlands Regierung sogar so weit, einen Teil der knappen Devisen zu opfern. Nach einem Bericht der Financial Times verhandelt die Regierung mit dem IWF und den G-7-Staaten, einen Hilfsfonds für die nicht-russischen Republiken einzurichten. Dafür wolle Rußland eine Milliarde Dollar springen lassen.

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