Sanssouci: Vorschlag
■ Reginald Workman und Sunny Murray im A-Trane
Hat man bei so viel USArts den Jazz überhaupt vermißt? Auf jeden Fall muß man nicht gleich am bewährten Kulturweltbild zu zweifeln beginnen, nur weil aufgrund konzeptioneller Hektik oder postmoderner Verlorenheit eines der wesentlichen amerikanischen Kunstprodukte dieses Jahrhunderts fast unter den Tisch gefallen wäre. Nein, man hätte nicht die ganze Geschichte des kulturellen Rassismus wieder aufrollen und Vorträge über segregationistische Kunst im Fadenkreuz weißer Macht und schwarzer Ohnmacht ausarbeiten müssen. Hat man auch nicht. Statt dessen setzt man mit einem Musikkaleidoskop gemäß dem Motto – minimaler, als die Wirklichkeit erlaubt – auf Zeitgeisttick und Avantgardechic. Ein „Programm zur Ausstellung“ kann halt wohl doch nur so gut sein wie die Ausstellung selbst; so blieb uns der Jazz im Museum erspart.
Doch noch ein Bild ohne Rahmen hinzuzuhängen ist schließlich einem Ad-hoc-Verbund der RIAS-Jazzredaktion, des Jazzclubs A-Trane und Alex von Schlippenbach gelungen, der gleich zwei Markenzeichen des afroamerikanischen Nachkriegsjazz zur gemeinsamen Repräsentation verpflichten konnte. Reginald Workman ist seit geraumer Zeit der künstlerische Leiter der Jazzabteilung an der New Yorker School for Social Research und der jazzlexikalische Baß-Sideman und -Solist schlechthin. Mit Red Garland, John Coltrane, Art Blakey, Wayne Shorter, Archie Shepp, Max Roach oder Mal Waldron tourte er um den Jazzglobus und spielte Tonkonserven ein, die zu Klassikern wurden. Seine viersaitigen Soundkreationen zwischen Swing und Experimentellem nennt er „dreidimensionale Klangskulpturen mit Wiedererkennungswert“. Sein Altersgenosse Sunny Murray vermag den Drumset zum Singen und Summen zu bringen. Der Zeuge von Cecil Taylors „Nicht-Geldjahren“ wies als Inbegriff des New Jazz Drummers die Angst des Schlagwerkers vor dem Sideman-Syndrom vehement in die Schranken kreativer Selbstzügelung. Christian Broecking
Heute mit Alex von Schlippenbach und Walter Gauchel, 4. und 5. Juni mit Aki Takase ab 21 Uhr im A-Trane, Pestalozzistraße 105.
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